
Gastronomie profitiert von Mehrwertsteuer-Senkung
Ungerechtigkeit im Vergleich zu anderen Branchen?
Die Gastronomie erlebt eine politische Rückendeckung, die ihresgleichen sucht. Ab Januar 2026 gilt für Speisen dauerhaft der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, eine Entscheidung, die im Bundestag mit warmen Worten und wohlklingenden Begründungen gefeiert wurde.
Offiziell soll sie Arbeitsplätze sichern, die wirtschaftliche Erholung fördern und eine Branche stabilisieren, die in den vergangenen Jahren von Krise zu Krise taumelte. Doch während Köche, Gastronomen und Caterer aufatmen, wächst an anderer Stelle die Kritik. Was als Unterstützung für eine gebeutelte Branche verkauft wird, wirkt auf viele Beobachter wie eine steuerpolitische Schieflage.
Eine dauerhafte Steuererleichterung als Krisenerbe
Ursprünglich war die Senkung der Mehrwertsteuer eine Notmaßnahme während der Pandemie. Restaurants mussten schließen, Umsätze brachen ein und viele Betriebe standen kurz vor dem Aus. Die Regierung reagierte schnell, reduzierte die Steuer auf Speisen und verlängerte die Regelung mehrfach, bis sie schließlich zur neuen Normalität wurde. Was einst als Kriseninstrument gedacht war, hat sich also zu einer Dauerlösung entwickelt, deren politische Begründung längst über den ursprünglichen Zweck hinausgeht.
Dabei spielt die Gastronomie eine besondere Rolle im gesellschaftlichen Bewusstsein. Sie ist mehr als ein Wirtschaftszweig, sie steht für Lebensgefühl, für Begegnung und Genuss. Politiker verstehen das und wissen, wie stark ein leerer Gastraum als Symbol für gesellschaftliche Lähmung wahrgenommen wird.
Gerechtere Alternativen und die Suche nach einer modernen Steuerpolitik
Viele Fachleute fordern schon länger eine grundlegende Reform des Umsatzsteuersystems. Statt einzelne Branchen zu begünstigen, solle sich Steuerpolitik stärker an sozialen oder ökologischen Zielen orientieren. Warum also nicht die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel oder Hygieneartikel senken, statt auf Restaurantgerichte? Das käme allen Verbrauchern zugute und würde breiter entlasten.
Ein Blick auf andere Wirtschaftszweige verdeutlicht zudem, wie widersprüchlich steuerliche Regelungen teilweise ausfallen. So unterliegen Umsätze aus klassischen Geldspielautomaten in Spielhallen nach aktueller Rechtsprechung weiterhin der Umsatzsteuer, während bestimmte Formen des Online-Glücksspiels wie die legale Online Spielothek davon befreit sind und zusätzlich eine separate Glücksspielsteuer entrichten. Diese Ungleichbehandlung zeigt exemplarisch, wie wenig konsistent die steuerliche Logik über Branchen und Angebotsformen hinweg ist und wie dringend ein einfacheres, nachvollziehbares System gebraucht würde.
Auch ein Blick ins europäische Ausland zeigt, dass Deutschland mit seiner Vielzahl an Ausnahmeregelungen keineswegs allein dasteht. In kaum einem Land ist das System jedoch so kleinteilig. Einige Staaten setzen bewusst auf einfache Strukturen mit wenigen Steuersätzen, um Transparenz und Fairness zu sichern. Deutschland hingegen pflegt sein kompliziertes Netz aus Sonderregelungen, vom Theaterbesuch bis zum Tierfutter, was die Diskussion um die Gastro-Senkung umso absurder erscheinen lässt.
Diese Debatte ist damit mehr als eine branchenpolitische Episode. Sie wirft eine grundsätzliche Frage auf, wie ein modernes Steuersystem aussehen könnte, das zugleich gerecht, effizient und nachvollziehbar ist. Solange diese Frage unbeantwortet bleibt, wirken punktuelle Entlastungen wie kosmetische Korrekturen an einem System, das längst zu schwerfällig geworden ist.
Welche Betriebe profitieren und welche leer ausgehen
Die neuen Regeln gelten ausschließlich für Speisen, die in Restaurants, Cafés, Kantinen oder beim Catering verkauft werden, was zunächst gerecht klingt, schließlich geht es um Betriebe, die besonders unter hohen Fixkosten und schwankender Nachfrage leiden. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Regelung nicht alle gleichermaßen begünstigt. Bars, Clubs oder Diskotheken, deren Hauptgeschäft Getränke sind, bleiben ausgeschlossen. Sie zahlen weiterhin 19 Prozent und gehören damit zu den stillen Verlierern einer Reform, die eigentlich Solidarität signalisieren sollte.
Auch innerhalb der Hotellerie herrscht Uneinheitlichkeit. Während Hotelgäste beim Frühstück vom ermäßigten Satz profitieren, bleiben andere Dienstleistungen wie etwa Getränke oder Minibar-Angebote voll besteuert. Noch komplizierter wird es bei digitalen Lieferdiensten, die zwar Speisen ausliefern, steuerlich jedoch als Online-Dienstleister gelten und deshalb den vollen Satz entrichten müssen. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich, der weniger nach wirtschaftlicher Logik aussieht als nach politischem Kalkül.
Entlastung oder Wettbewerbsverzerrung
Gastroverbände betonen unermüdlich, wie notwendig die Steuererleichterung sei. Sie argumentieren, dass ohne diese Entlastung viele Betriebe nicht überleben könnten, vor allem kleinere Restaurants auf dem Land oder familiengeführte Lokale in Innenstädten. Steigende Energiepreise, Fachkräftemangel und sinkende Konsumfreude hätten die Branche ohnehin stark belastet. Mit der niedrigeren Steuer lasse sich endlich wieder investieren, Löhne anpassen oder die Speisekarte modernisieren.
Auf der anderen Seite stehen Ökonomen und Vertreter anderer Wirtschaftszweige, die die Maßnahme als unfaire Bevorzugung kritisieren. Warum soll eine Branche dauerhaft entlastet werden, während Einzelhändler, Hoteliers oder Betriebe aus der Kultur mit ähnlichen Problemen kämpfen, aber keine Hilfe erhalten? Hinzu kommt die Gefahr, dass die Entlastung gar nicht bei den Gästen ankommt, sondern in den Margen der Betreiber verschwindet. Die Preise in vielen Restaurants dürften also trotz Steuerreduktion kaum sinken, was die Legitimation des ganzen Projekts weiter infrage stellt.
Der politische Aspekt ist kaum zu übersehen. Die Gastronomie ist eine sympathische Branche, sie steht für Nähe, für Alltag, für Genuss, Themen, die sich hervorragend für medienwirksame Versprechen eignen. Kaum jemand wird in einer Talkshow gegen Restaurants argumentieren, die endlich wieder durchatmen wollen.
Milliardenkosten für den Staat und die Frage nach der Gerechtigkeit
So populär die Maßnahme wirkt, sie ist teuer. Etwa 3,4 Milliarden Euro an Steuereinnahmen gehen dem Staat jedes Jahr verloren und das ist Geld, das an anderer Stelle fehlt, etwa bei Investitionen in Schulen, Klimaschutz oder öffentliche Infrastruktur. Befürworter wiegeln ab und sprechen von einer überschaubaren Summe, Kritiker sehen dagegen eine gefährliche Schieflage in der Haushaltsplanung. Steuererleichterungen lassen sich politisch leicht versprechen, doch nur schwer wieder zurücknehmen.
Langfristig führt diese Art gezielter Entlastung zu einem immer komplexeren Steuersystem. Je mehr Ausnahmen existieren, desto schwieriger wird es, die Umsatzsteuer als einheitliches Instrument zu verstehen. Was als pragmatische Unterstützung begann, droht damit zu einem Symbol für inkonsequente Steuerpolitik zu werden. Statt klare Prinzipien zu schaffen, entstehen immer neue Sonderregelungen, die am Ende mehr Verwirrung als Gerechtigkeit stiften.
Ein Schritt in die richtige Richtung oder ein fragwürdiges Signal
Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass Steuerpolitik selten gerecht wirkt, auch wenn sie es sein will. Die Gastronomie mag die Entlastung dringend gebraucht haben, doch das Gefühl der Ungleichbehandlung in anderen Branchen ist nicht von der Hand zu weisen. Eine Maßnahme, die als Rettungsanker begann, wird so schnell zum Zündstoff für neue Debatten.
Vielleicht ist diese Steuerfrage am Ende ein Sinnbild für eine größere Herausforderung, nämlich die Balance zwischen wirtschaftlicher Förderung und gesellschaftlicher Fairness. Solange der Staat bestimmten Branchen gezielt Vorteile verschafft, bleibt der Eindruck, dass Steuergerechtigkeit ein dehnbarer Begriff ist. Genau das macht diese Diskussion so brisant.