Wein aus dem Betonei
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Der neueste Trend in Deutschland – die Vinifizierung (Weinherstellung) im Ei aus Beton. In Frankreich und Spanien ist das schon seit Jahrzehnten weit verbreitet.
Wein „im Barrique gereift“ kennt man irgendwie, aber ein Riesenei aus Beton, indem Wein gegärt und gelagert wird, eher weniger. Normalerweise lagert man Wein hauptsächlich in Edelstahltanks oder in Holzfässern. Die großen Weine der Welt reifen fast ausschließlich in kleinen Eichenholzfässern, den sog. Barriques oder Pieces. Wein im porösen Holzfass reifen zu lassen, bringt dem Wein Sauerstoff, lässt ihn aber auch teilweise den Geschmack des Holzes durch Tannine und Röstaromen annehmen. Werden Weine im Edelstahlbehälter ausgebaut, dann ist nur eine geringe Reifung darin möglich, da kaum Sauerstoff an den jungen Wein kommt (reduktiver Ausbau). Im Betonei hingegen gelangt der Sauerstoff im optimalen Verhältnis gleichmäßig durch die Betonschicht an den Wein, was zu einer deutlich besseren Reifung führt (oxidativer Ausbau), und der Ursprungsgeschmack des Weins bleibt erhalten. Während der Gärphase und bei der Lagerung kann der Wein sich im Betonei ohne Kanten und Ecken fließend bewegen. Der Most vergärt spontan (Spontanvergärung), mit den eigenen Hefen, der Wein ist mineralischer, filigraner und vielschichtiger. Durch das thermische Verhalten des Betons wird der Wein besonders gut gekühlt und er schmeckt so frischer und fruchtiger.
Die für die Trübung verantwortlichen Weinmoleküle sammeln sich an der Wand des Eis. Da sie schwer sind, rutschen sie ab. Im Gegenzug zirkuliert der klare Teil des Weines in der Mitte nach oben, der Wein wird geklärt. Die ovale Form eignet sich für diesen Prozess am besten. Kritiker des Rieseneis bemängeln unter anderem, dass der Wein hierbei die Betonwände angreift und so Stoffe aus dem Beton in den Wein gelangen. Dagegen soll eine Schicht Weinsäurepaste im Innenraum des Eis helfen, dies zu vermeiden, um ein saures, weinverträgliches Milieu zu erhalten. Auch könnte durch die thermische Leitfähigkeit des Betons der Gärungsverlauf beeinträchtigt werden.
In Frankreich und Spanien ist die Vinifizierung (Weinherstellung) im Ei aus Beton schon seit Jahrzehnten weit verbreitet. Dort arbeiten Winzer schon seit mehreren Generationen mit kostengünstigen Betonfässern für die Produktion ihrer Rotweine.
In Deutschland sind es die Weißweine und vor allem speziell der Silvaner, der sich im Betonei finden lässt. Geplant ist außerdem, nur Spitzenweine im Betonei reifen zu lassen.
Im direkten Vergleich gleicher Ausgangsmoste zeigte der Silvaner aus dem Betonei eine aufdringliche Aromatik, etwas würziger, eher eine kräuterige Richtung. Im Geschmack ist er aufbrausender, bestimmender und polarisiert. Er zeigt Ecken und Kanten und ist sehr provokant. Dennoch ist er als typischer Silvaner erkennbar.
In Kennerkreisen ist die Methode des Weinausbaus im Betonei noch umstritten. Die einen schwören darauf und finden die damit erzielten Ergebnisse um Längen besser als mit den herkömmlichen Methoden, die anderen sind skeptisch. Wie auch schon beim Ausbau des Weins im Barrique hat auch das Betonei seine Für- und Wider-Argumente.
Eine ganz eigene Variante des Weinausbaus hat Tina Pfaffmann aus Frankweiler in der Pfalz entdeckt: Sie baut Riesling in einem Steingutbehälter aus. Gemeinsam mit ihrem Vater beschlossen sie vor sechs Jahren, darin einen Riesling vergären zu lassen. Wie die Silvaner aus dem Betonei sind auch Tina Pfaffmanns Steingut-Rieslinge viel zugänglicher und leichter zu verstehen als mancher Wein aus der Amphore. Sie sind extraktreich, weich und enorm vital, mit einem delikaten Finale, das an nassen Stein erinnert.
HS