Dekantieren
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Der Ausdruck Dekantieren stammt ganz allgemein aus dem Französischen: décanter für „umfüllen, „abgießen“, „klären“, „absetzen“, „abgießen“ oder „umfüllen“ – Alchemistenlateinisch „decanthare“, von lat. canthus „Schnabel eines Krugs“.
Dekantieren bedeutet in Verbindung mit Wein die vorsichtige Trennung eines vor allem alten Weines von seinem Bodensatz („Depot“) und vom Weinstein durch Umfüllung in eine Karaffe. Das Depot ist insbesondere bei Rotweinen aufgrund des hohen Anteils an Farb- und Gerbstoffen ausgeprägt und wird allerdings erst nach circa sieben Jahren gebildet.
Tipp: Um das Depot in einer dunklen Rotweinflasche gut zu erkennen, hält man die Flasche während des Umfüllens vor eine helle Lichtquelle, traditionell eine Kerze, eine Lampe, oder auch ein weißes Blatt Papier ist allerdings ebenso geeignet. Die Flasche nicht schütteln! Geräte zum besonders schonenden Dekantieren nennt man Dekanter, der ein gleichmäßiges und ruhiges Eingießen gewährleistet. Dagegen spricht man vom Karaffieren, wenn insbesondere jüngere, noch nicht trinkreife Weine ohne Depot gezielt mit Luftsauerstoff versorgt werden, um ihre Tannine reifen und so das Aroma voll zur Geltung kommen zu lassen: Der Duft wird komplexer und der Geschmack weicher und weniger bitter. Je mehr Tannin, desto wichtiger ist die Belüftung. Die Karaffe sollte dabei nur etwa zur Hälfte gefüllt sein. Vor allem bei Rotweinen aus dem Barriqueausbau, mit ihrem hohen Gehalt an Tanninen, lohnt es sich zu karaffieren.
Doch Vorsicht bei älteren Weinen. Diese verbrauchen mit der Zeit immer mehr den darin enthaltenen Sauerstoff. Beim Entkorken und anschließendem Dekantieren ist der Wein dann besonders reaktionsfreudig und oxidiert in relativ kurzer Zeit, wodurch er umkippen und sich sein Aroma stark verändern kann. Je weniger stabilisierendes Tannin, desto schneller läuft dieser Prozess ab. Sehr alte Rotweine sollten daher erst unmittelbar vor dem Genuss mit „Samthandschuhen“ dekantiert werden. Wie lange man einen Wein vor dem Genuss dekantieren sollte, hängt vom Alter des Weins ab.
Bei älteren, trinkreifen Rotweinen genügen meist schon zehn Minuten, während ein junger kräftiger Roter mitunter auch zwei Stunden in der Dekantierkaraffe benötigt, um geschmacklich „nachzureifen“. Wer den Dekantiervorgang beschleunigen will, kann dies durch leichtes Schwenken der Karaffe tun.
Es gibt noch weitere positive Nebeneffekte beim Dekantieren: Eventuell störende Kohlensäure kann entweichen und unangenehme Gerüche können sich verflüchtigen. Aber auch so mancher Weißwein sollte entgegen herkömmlichem Brauch „beatmet“ werden. Vor allem Chardonnays, die im Holzfass vergoren und ausgebaut worden sind, entfalten erst nach ein bis mehreren Stunden in der Karaffe ihr volles, blumiges und fruchtiges Aroma, das vom Geruch des Holzes überdeckt worden war. Die Wissenschaft vom Wein (Önologie) hat bisher noch keine ausreichende biochemische Erklärung gefunden, warum manche in der Flasche eher unauffälligen Weine nach dem Dekantieren ein wahres Feuerwerk an Aromen entwickeln, manche einen unangenehmen Geruch entfalten, manche wiederum sich für kurze Zeit „öffnen“, um sich dann wieder zu „verschließen“, manche gar nicht reagieren oder andere innerhalb weniger Minuten ihren „Geist“ aufgeben. Ob nun ein Wein dekantiert werden soll oder nicht, ist wohl persönliche Geschmacksache und Gewohnheit, basierend auf Erfahrungswerten und/oder Erkenntnissen aus der Kellertechnologie.
HS