Kommerzienrat in Gimmeldingen
Wäre die Pfälzer Weinkultur ein seismographisches Phänomen, so würde die Gimmeldinger Weinstube Kommerzienrat sicherlich ihr Epizentrum darstellen. Die Gründe hierfür liegen in erster Linie bei Gastgeber und Weinenthusiast Bernd Hagedorn. Er hat zusammen mit seiner Lebensgefährtin Gisela Weber etwas geschaffen, was es in der vom Weinstuben-Efeu nahezu zugewucherten Pfalz nur noch sehr selten gibt: eine Wohlfühl-Enklave, bei der nicht nur der gute Geschmack im Vordergrund steht, sondern vor allem des Pfälzers Leib- und Seelentrunk. Und den in nahezu allen Facetten.
Herr Hagedorns Weinvorrat zählt stolze 380 (!!!) Positionen an Flaschenweinen aus der Pfalz zuzüglich 250 ausländischer Kreszenzen. Ein weltweit einmaliges Angebot an Raritäten, die man selbst in der Spitzengastronomie kaum finden wird. Doch der Superlative nicht genug. Von den Pfalzweinen sind sogar 90% im offenen Ausschank erhältlich. Für Weinfreunde eine wahre Fundgrube, die – und darauf legt der Hausherr besonderen Wert – preislich fair kalkuliert und deshalb bezahlbar bleibt.
Auf Geschmack trifft man hier in jeder Ecke des über 300 Jahre alten Anwesens. Schon beim Eintritt in den gewölbeartigen Gastraum wird einem schnell klar, dass man hier länger verweilen wird. Man möchte sich schließlich erst einmal an der gepflegt niveauvollen Einrichtung sattsehen. Seidig glänzt das schwarzbraune Holz der Tische und Sitzbänke. Dezente Strahler setzen die Hauptdarsteller aus den Weinhäusern Christmann, Bernhart, Schmitt und Wehrheim ins rechte Licht. Man bewegt sich auf aparten Perserteppichen, sitzt kultiviert auf eleganten orangefarbenen Polstern. Der Hauch weinseliger Exklusivität ist dabei geradezu omnipräsent.
Alles dreht sich um den Rebsaft, den Herr Hagedorn seit nunmehr 21 Jahren seinen Gästen auf unnachahmliche Art und Weise näherbringt. Dabei entstehen meist neue Bekanntschaften, die nicht selten in enge Freundschaften münden. Der erfahrene Wein-Aficionado weiß, womit er seiner Gästeklientel Tränen der (Wein)Freude ins Gesicht treiben kann, weshalb ihn viele Winzer, Gastronomen und Pfalz-Touristen regelmäßig aufsuchen, um sich von ihm beraten zu lassen.
Solche Spitzengewächse wollen nicht ohne die passende Grundlage genossen werden. Die vornehmlich klassischen Pfälzer Gerichte, die von Küchenchefin Gisela Weber kredenzt werden, sind weit mehr als bloße Weinbegleitung. Das Rumpsteak „Kommerzienrat“ – eindeutig ein „signature dish“ des Hauses – gilt mittlerweile als legendär. Auf den Punkt gebraten versteckt es sich unter einer delikaten Zwiebel-Dijonsenf-Mousse und wird von den „weltbesten Gebreedelten“ (=Bratkartoffeln, Anm.) kongenial begleitet. Beim Fleisch vertraut man auf bewährte argentinische Block-House-Qualität. Die mit Speck, Zwiebeln sowie ordentlich Butter in der Pfanne kross gebackenen Bratkartoffeln schmecken wie gemacht vom „Verband deutscher Prädikatsmütter“.
Und je länger man so sitzt und die einmalige Atmosphäre dieser Weinstube genießt, umso klarer wird einem auch, was Inhaber, Sommelier und Serviceleiter Hagedorn dazu bewogen haben könnte, sich diesen Lebenstraum vor über zwei Dekaden zu erfüllen und ihn bis heute mit Leidenschaft und Hingabe auszuüben. Seine zugegeben etwas schelmische Art setzt er dabei gekonnt ein und kokettiert auf äußerst charmante Weise mit seinem profunden Weinwissen. Sein Humor ist dabei so trocken wie die Weine, die er ausschenkt. Er kennt alle „seine Babies (=Weinflaschen, Anm.) beim Namen“, hat immer eine kleine Anekdote oder Lebensweisheit parat und trägt sein Herz auf der Zunge. Ein echter Typ eben, mit liebenswerten Marotten, Ecken und Kanten.
Im Gimmeldinger Kommerzienrat findet man es noch, das gelungene Zusammenspiel von gediegenem Ambiente, unterhaltsam-beratendem Service und gehobener Qualität bei Essen und Trinken. Und das alles jenseits der heute oft üblichen „Geiz-ist-geil-Attitüde“. Wer so viel für das Gemeinwohl seiner Gäste tut, kann den Ehrentitel im Namen nicht zu Unrecht tragen.
Fotos und Text Marco Rieder
[mehr unter: http://www.weinstube-kommerzienrat.de/]