Saumagen
Saumagen! Wer würde schon bei einem solchen Namen an eine Delikatesse denken, wenn man diese Spezialität nicht schon kennen würde? Ein Saumagen ist, wie jedes Kind hierzulande in der Pfalz weiß, im Grunde nichts anderes als eine Art Gourmet-Variante der Bratwurst.
Wie die Pfälzer Bratwurst ist auch der Saumagen eine berühmte Delikatesse, jedoch ist der Saumagen nicht nur geschmacklich weitaus interessanter, er hat zudem auch viel weniger Fett! Den wohl wenigsten Liebhabern ist bewusst, dass in einem qualitativ guten Saumagen lediglich 5% Fett (!) stecken. Selbst dem Schreiber dieser Zeilen, gebürtiger Pfälzer und Saumagen-Liebhaber, ist diese Tatsache erst jetzt, bei den Recherchen zu diesem Bericht, bekannt geworden.
Man nehme also einen leeren und völlig gereinigten Magen vom Schwein und diesen fülle man zu je einem Drittel mit magerem Schweinefleisch, Bratwurstbrät und Kartoffeln, dazu kommen noch weitere wichtige Zutaten wie Zwiebeln, Eier, viel Majoran, sowie weitere diverse Kräuter und Gewürze. Dann läßt man diesem, wie ein Dudelsack aussehenden Gebilde viel Zeit zum Garen und fertig ist das zweifellos bekannteste Pfälzer Traditionsgericht. Die gelblich-weißen Würfel sind also keineswegs Fettwürfel, wie man das etwa von der Mortadella, Salami oder Blutwurst kennt, sondern Kartoffeln, die mit ihrer Stärke der Fleischfüllung den Zusammenhalt geben. Es gibt zahllose Varianten des ursprünglichen Rezepts; vielleicht so viele wie es Hausfrauen in der Pfalz gibt. An dieser Stelle könnte man die Frage aufwerfen, wie viele “echte” Pfälzer Hausfrauen es überhaupt noch gibt; aber lassen wir das.
“Rindermagen” würde sich vielleicht besser anhören als “Saumagen”, wäre jedoch als Hülle hierfür gänzlich ungeeignet. Denn die Kuh als Wiederkäuer hat vier Mägen mit extrem dicken Wänden, die nicht als Pelle taugen, sondern selber als Gericht zubereitet werden. Das wird dann als “Kutteln” oder “Pansen” gegessen, doch solche Innereien haben zum Glück im Saumagen nichts verloren.
Angeblich soll der Saumagen im 18. Jhd. als “Arme-Leute-Essen” von Bauern erfunden worden sein, um auf diese Weise Reste zu verwerten, etwa so, wie man das von vielen anderen Spezialitäten weltweit kennt, z.B. Fajita, Pizza oder Ratatouille. Andere Überlieferungen dagegen erzählen, der Saumagen sei der Höhepunkt eines jeden Schlachtfestes in der Pfalz gewesen, für den man nur die besten Zutaten verwendete. Außerhalb hiesiger Regionen war dieses Gericht lange Zeit nur diversen Insidern bekannt, und wohl vielen Unwissenden schauderte es unvermittelt, allein bei dem Klang des Namens. In den 90er Jahren allerdings erlangte der Saumagen urplötzlich Weltruhm, helmutkohlseidank. Der Alt-Bundeskanzler führte nämlich viele ausländische Gäste, wie etwa Margret Thatcher, Michail Gorbatschow, Ronald Reagan und Francois Mitterand in unsere Heimat und ließ ihnen dort das “Pfälzer Nationalgericht” servieren. Herr Kohl hat sich so sehr um den Saumagen verdient gemacht, daß dieses Gericht heute in vielen Gastwirtschaften der Pfalz als 'Kanzlersteak' auf der Speisekarte steht. Dabei war der Saumagen, den Herr Kohl seinen Gästen im Restaurant 'Schwarzer Hahn' im Deidesheim servieren ließ, recht weit entfernt von dem, was in den üblichen Gaststätten und Weinstuben angeboten wird. Denn nachdem mehrere Jahrhunderte die Pfälzer dieses Gericht als Nebenprodukt einer Schlachtung produzierten, ließen sich in unserer Zeit sogar Sternenköche und sonstige fantasievolle, experimentierfreudige Küchenmeister Neues einfallen und gaben dem Saumagen völlig neue Nuancen und erhoben ihn sozusagen auf den “Haute Cousine-Thron”. So verfügen diverse Menue-Karten über “Keschdesaumaache” (Keschde=Kastanien; statt Kartoffeln dienen die Kastanien als Stärke liefernde Zutat zum Binden) und auch Spanferkelmagen, bisweilen sogar getrüffelt.
Allgemein reicht man als Beilagen frisches Bauernbrot und Weinsauerkraut; seltener wird statt Brot auch Kartoffelpüree (Grumbeerschdampes), oder Bratkartoffeln serviert. Dazu trinkt man gekühlten Riesling. — Aus der Pfalz natürlich!
Immer wieder werden Fragen aufgeworfen, was die traditionelle Essensweise des Saumagens betrifft; etwa: soll man den Saumagen nur frisch essen, also nach dem Dünsten im Kessel frisch aufgeschnitten, oder die Scheiben erst kurz in der gebutterten Pfanne gebraten? Oder die immer wieder gestellte Frage, ob man denn nun die Haut (also die Hülle der Delikatesse) mitessen soll oder nicht; schließlich isst man bei einer Leber- oder Blutwurst den Darm als Hülle ja auch nicht mit. Wir möchten diese Fragen nur mit dem Hinweis auf den individuellen Geschmack jedes einzelnen unbeantwortet lassen. Ich persönlich z.B. mag den Saumagen am liebsten in Butter gebraten und mit Hülle.
Begeben wir uns zu der oft gestellten Frage, wo denn nun der beste Saumagen zu finden ist. Wiederum ist der persönliche Geschmack wohl der letztendliche Gradmesser, um dies zu klären. Fest zu halten bleibt, dass man wie bei anderen Spezialitäten auch, am besten zu einem Metzgermeister geht, weil da noch mit "Herz und Hand" gearbeitet wird. Da aber sehr oft diese Frage gestellt wurde, hat man kurzerhand in Landau den “internationalen Saumagenwettbewerb” ins Leben gerufen, der seit 1997 veranstaltet wird. Während diese Aufsehen erregende Aktion zunächst nur an Amateure gerichtet war, wurde der Wettbewerb jedoch sehr bald zu einer Entscheidungsschlacht auf höchst professioneller Ebene, sodass die namhaftesten Metzger hier ein Forum fanden, um diese Schlacht untereinander ausfechten zu können! TS