Cartoonist Steffen Boiselle im Gespräch mit Thomas Steinmetz
Mit 54 Jahren ist Steffen Boiselle mittlerweile wohl einer der Urgesteine in der Comic- und Cartoon-Branche Deutschlands. Ganz zu schweigen hier in der Pfalz. Nirgendwo bleibt man vor seiner spitzen Zeichenfeder „verschont“ und es bleibt einem alten Pfälzer nichts weiter übrig, als über eigene Sprüche und Verschrobenheit, die man hier und da in seinen Comics entdeckt, betroffen zu schmunzeln. Möglicherweise hat so mancher Nicht-Pfälzer gar die „seelischen Abgründe“ der Eingeborenen in unserem Land zu verstehen gelernt. Und das gleiche Vorrecht, als Betroffener die eigene Mentalität auf die Schippe nehmen zu dürfen, wie etwa Kaya Yanar oder Bülent Ceylan, ohne Gefahr laufen zu müssen, als politisch unkorrekt eingeordnet zu werden, so auch Steffen Boiselle als Pälzer.
ThS: Es freut mich, dass wir endlich mal zu einem Live - Gespräch zusammen finden konnten. Wie hast du eigentlich angefangen?
SB: Das war ganz früh schon in meiner Kindheit an. Ich bin am 12.12.1964 geboren, das ist schon ein bemerkenswerter Umstand, da am 12.12.1894 der erste Comic in den USA erschien.
ThS: Und wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, zu zeichnen?
SB: Das fing quasi mit einer „erblichen Belastung“ an, da mein Vater schon malte. Wobei ich für meinen Teil ganz früh schon Comics aufsaugte und mit 13 „wusste“, dass ich mit Comics reich und berühmt werden würde. Andere Leute wollten in dem Alter Lokomotivführer werden, landen dann aber beim Finanzamt. Ich dagegen bin relativ geradlinig geblieben (alle lachen).
Mit 16 hab ich dann schon meine ersten Hefte gemacht und auf dem Schulhof verkauft. Mit 20 dann den ersten Verlag gegründet; das war ein klassischer Comic-Verlag, meist haben wir französische Sachen übersetzt und ins deutsche übertragen. Und, wie ein normaler Verlag auch die Lizenzen eingekauft, und dann versucht, zu verkaufen, wie etwa Mafalda, Isnogud etc. Wir haben quasi die „Brotkrümel“, die andere liegen ließen, aufgenommen und vermarktet. Dann bin ich immer mehr in den Vertrieb gerutscht. Ein Großhandel hatte einen Vertreter gesucht und habe dann für den Großhandel gearbeitet. Das heißt, ich habe auch meine eigenen Sachen und die unseres Verlages mitverkauft. Das war also ganz praktisch. Nach sieben Jahren bin ich dann bei Carlsen gelandet und auch dort 14 Jahre Außendienst gemacht.
ThS: Carlsen sagt mir was...?
SB: Ja, klar, das ist die Nummer eins in Sachen Comics! Dort hatte ich viel zu tun und auch gutes Geld verdient. Ich hatte auch damals den Ralph Ruthe, mit dem wir einiges machten und auch eine tolle Begegnung mit Walter Moers...
ThS: Das sind ja sehr klangvolle, bekannte Namen! Und wie ging es dann weiter? Wie lange warst du bei Carlsen?
SB: Ich war dort 14 Jahre, habe aber immer gleichzeitig unsere eigenen Sachen gemacht. Früher war ich immer einer der Jüngsten in der Branche und heute bin ich mittlerweile eine Art „Urgestein“.
ThS: Mal ganz ehrlich gefragt. Wie kommst du eigentlich auf deine Ideen?
SB: Klar. Diese Frage kommt immer. Es ist für den, der fragt, immer etwas völlig neues, etwas was jeden bewegt. Wie für einen Fan eines Zauberers: „Wie machst du das?“.
OK, es kommen eben Eindrücke aus allen Ecken. Klassischer Fall: Eine Frau kommt mit Hund einem entgegen und die Frau sagt: „Der macht nix!“. Daraus wird der folgende Comic: Mann mit Hund kommt einem Paar entgegen; die Frau schleppt die Einkaufstasche und das Kind. Der Hund bellt und der Mann mit Hund sagt: „Der macht nix!“ Die Frau entgegnet daraufhin „Meiner ach net!“ (alle lachen), das sind so typischerweise die Situationen, wo diese Sachen entstehen. Am besten eben, wenn es zur Pfalz passt.
Ich mache mir öfters Notizen, die ich hin und wieder auskrame und dann zum Thema mache, wenn es gerade passt. So kommen viele Beiträge zustande. Manches mag drei Jahre in der Mappe liegen, dann kommt ein neuer Trend und es passt! Es ist sozusagen eine Mischung aus Kreativität und Handwerk.
ThS: Und wie ist das, wenn du einen Beitrag für die Tageszeitung liefern sollst?
SB: Dann brauche ich mindestens so zwei, drei Tage, wo die Kreativität sozusagen wachsen muss. Da kommt manchmal Handwerk und Wahnsinn zusammen. Zunächst denke ich vielleicht, dass der Witz gar nicht so gut ist. Dann am nächsten Tag erzähl ich es meiner Frau und sie lacht. Alles klar. Und wenn der Redakteur es auch gut findet, dann haben alle gewonnen.
ThS: Wie gut kann man eigentlich als Zeichner leben? Oder: Kann man überhaupt davon leben?
SB: Ein Künstler hat meistens ein Problem. Wenn er ein guter Künstler ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch ein guter Kaufmann ist. Dann braucht er einen guten Manager, der aber auch gut leben will und dann vielleicht Dinge verlangt, die dem Künstler nicht passen. Ich habe da etwas mehr Glück, da meine Mutter eine gute Kaufmännin war und diese Gene auf mich rüberkamen. Ich habe also keinerlei Probleme, auf Menschen zuzugehen, mit ihnen zu reden. Auch die Aktionen mit dem Live-Zeichnen bereiten mir keinerlei Schwierigkeiten. Das hilft natürlich enorm. Davon kann ich also leben, andererseits haben wir ja auch noch den Verlag AGIRO, der ja bestens bekannt ist. Ich bin also durchaus bereit, den kaufmännischen Weg zu verfolgen, im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern.
ThS: Du kennst dich in der Comic-Szene in Deutschland ja sehr gut aus, wie du erzählt hast. Wieviele Zeichner können wirklich von ihren Zeichnungen leben?
SB: Das sind vielleicht zehn oder höchstens zwanzig, die auch regelmäßige Auftragsarbeiten machen.
ThS: Was ist so das neueste, was du in „Angriff“ nimmst?
SB: Das sind Kurz-Videos, die so etwa 60 Sekunden gehen. Mit Musik und allem Drum und Dran. Da kann man echt gespannt sein.
Kontakt zu Steffen Boiselle
AGIRO-Verlag
Steffen Boiselle und Clemens Ellert GbR
Sauterstraße 3 | 67433 Neustadt a.d. Weinstraße
Telefon: 06321 489343 | Fax: 06321 489345
Mail: boiselle@agiro.de