Karl-Emil Kuntz im Gespräch mit Rita Steinmetz
Diesmal ist unser Gesprächspartner der in Landau in der Pfalz geborene Sternekoch Karl-Emil Kuntz. Fast ganz Deutschland kennt ihn, zumindest all diejenigen, die sich mit gehobener Küche beschäftigen. Er ist es gewohnt, für seine kreativen Kochkünste mit Anerkennungen überhäuft zu werden. Wir hatten einige Fragen an ihn.
RS = Rita Steinmetz; KEK = Karl-Emil Kuntz
RS: Die Leidenschaft liegt bei Ihnen ja in der Familie, wie ich gehört habe?
KEK: Oh ja, allerdings. Das ist bei uns Familientradition seit über 200 Jahren. Gastronomie ist uns wirklich in die Wiege gelegt
RS: Wie war das aber in Ihrer Kindheit für Sie?
KEK: Meine Mutter ist sehr früh verstorben, ich war erst 8 Jahre alt. Die Freundin meiner Mutter, Frau Eichhorn, sorgte für uns und war bestrebt, sehr preiswert die Familie über Wasser zu halten. Wenn ich nun fragte: Was gibt's heut zu Essen? Sagte sie: Für Dich hab ich ‘ne Bratwurst. Ich will aber ein Cordon Bleu! Antwortete ich dann. Daraufhin sagte sie: Nein, Cordon Bleu ist zu teuer! (lacht). Dann hab ich schon sehr früh mir mein Cordon Bleu eben selbst gemacht, weil ich Lust drauf hatte. So war ich auch sehr früh in der Küche integriert und musste auch Samstags und Sonntags mithelfen.
RS: Da hat man wohl nicht ganz so viele Flausen im Kopf, wie manche andere im gleichen Alter?
KEK: (lacht) Nein, die wurden mir schon sehr früh genommen! Ich war jedenfalls sehr früh, auch schon als Heranwachsender in die Pflicht genommen. Anfangs waren wir nur ein ganz einfaches Ausflugslokal mit Schwerpunkt auf Landwirtschaft und meist kamen die Leute nur, um etwas zu trinken. Als meine Mutter dann 1966 gestorben war und alles Kopf stand, haben wir uns vom landwirtschaftlichen Betrieb zunehmend nur noch auf die Gastronomie konzentriert.
RS: Aha! Heißt das, sie haben schon als Kind gelernt, mit dem, was vorhanden war, zu kochen? Mit bodenständigen, saisonalen Produkten?
KEK: Ja, selbstverständlich! Ich wurde erzogen, nur mit den frischen Waren, die vorhanden waren und die man auch selbst im Garten hatte, etwas anzufangen. Ich glaube ganz fest, dass dies auch ein Teil meines Erfolges ist. Ich bin keineswegs ein Molekularkoch, wie etwa Ferran Adria im El Bulli, das würde ich auch nie machen. Auch in der Spitzengastronomie wo ich vorher war, da gab es nur traditionelle Küche. Das heißt aber nicht, dass ich die eher ausgeflippten Köche nicht ernst nehmen würde. Wenn jemand sein Handwerk beherrscht, dann ziehe ich vor ihm den Hut. Aber es ist einfach nicht mein Ding. Natürlich darf man sich aber andererseits auch nicht vor neuen Dingen verschließen. Beispielsweise servieren wir schon mal ein Kalbsbäckchen in Gelee auf einem warmen Teller! Früher hätte ich jemanden für verrückt erklärt, wenn er so was erzählt hätte! Normalerweise ginge das ja auch gar nicht – und heute machen wir so was selber! Das ist eben die neue Art der Küche.
RS: Wenn man so ihre Speisekarte liest, ist das fast wie bei einem Künstler, sie lassen sich immer was neues einfallen lassen...
KEK: Unser Beruf ist, genau wie bei einem Herrn Pfarrer oder einem Handwerker so, dass es mit Leidenschaft und Berufung ausgeübt werden muss. Man braucht immer das nötige Herzblut, egal, was man macht. Gepaart mit etwas Geschick, kann es dann nur zum Erfolg kommen.
RS: Ihre Familie ist doch ihr Rückhalt, wie ich weiß. Man spürt bei Ihnen im Betrieb, dass eine gewisse familiäre Atmosphäre herrscht. Wieviel Personal haben Sie eigentlich?
KEK: Es sind insgesamt 16-17 Leute, die beschäftigt sind, aber die arbeiten ja nicht immer alle gleichzeitig. Die Kern-Belegschaft sind 10 Leute, die ständig verfügbar sind. Natürlich ist der beste Koch immer nur so gut wie sein Team. Wir sind eine echt eingeschworene Mannschaft und einige sind schon bis zu 25 Jahre bei uns beschäftigt! Diese Kontinuität zahlt sich über lange Jahre aus. Seit 25 Jahren haben wir den Michelin-Stern, das ist Beleg für unser Team. Wir spielen sozusagen in der „Champions League“, wir kochen immerhin ab und zu für die höchsten Prominente und Politiker. Trotzdem hebt niemand bei uns im Team ab oder hält sich für etwas Besonderes.
RS: Natürlich hörte ich, dass Sie Marathon laufen. Ist das Ihr Ausgleich?
KEK: Ja. Für mich ist es wichtig, da wir einen Knochenjob haben, dass ich diesen Ausgleich habe. Natürlich habe ich die Familie im Rückhalt, aber das Laufen ist für mich unverzichtbar. Da der Tag es sonst nicht mehr erlauben würde, tue ich das immer morgens um sechs.
RS: Tun sie das denn jeden Tag?
KEK: Ja, jeden Tag. Manchmal habe ich dann nur vier Stunden Schlaf, das ist natürlich zu wenig, aber ich brauche das für meinen inneren Ausgleich. So bin ich letztes Jahr deutscher Meister der M50 beim Marathon in Mainz geworden und im September dann deutscher Meister der Köche; dort holte ich mir leider einen kleinen Miniskus-Einriss, der nun behandelt werden muss, daher bin ich momentan auf den Cross-Trainer angewiesen.
RS: Kommen ihnen beim Laufen neue Ideen für kulinarische Kreationen?
KEK: Nein! Das werde ich immer wieder gefragt. Wenn ich beim Laufen bin, will ich einfach nur meine Ruhe haben. Da kann ich ganz für mich sein. Leute haben das sogar eigenmächtig schon geschrieben und behauptet, obwohl ich das nie gesagt habe.
RS: Jeder hat sich ja irgendetwas auf die Fahne geschrieben. Was ist denn eigentlich ihr Motto für ihre Arbeit und für Ihr Haus?
KEK: Draußen im Flur hängt unser Wappen. Da steht auf lateinisch drauf: »deo in hospite«, das heißt soviel wie: »Es ist Gott wohlgefällig, dem Gast zu dienen«. Das möchten wir und dem haben wir uns mit Haut und Haaren verschrieben. Denn was nützt es, wenn man vielleicht sogar zwei oder drei Sterne hat und das Lokal ist aber leer, weil da gar niemand hin will – weil alles so steril und steif ist? Natürlich heißt das auch, dass man eigene, persönliche Dinge hinten an stellen muss. Der Gast hat immer Vorrang, schließlich ist er es, der uns bezahlt. Diese Philosophie geben wir auch immer unseren Mitarbeitern mit. Egal, was passiert: der Gast muss zufrieden unser Haus verlassen.
RS: Vielen Dank für das Gespräch!
KEK: Danke ebenso!