Thomas Steinmetz befragt Harald P. Beckers über den Quantismus
Er ist ein außergewöhnlicher Maler, der seine Arbeit gerne philosophisch betrachtet. Er nennt das „Quantismus“ und beruft sich auf die Quantenphysik, welche in der Lage ist, metaphorische Zusammenhänge weltanschaulicher Art im Allgemeinenund seine Malerei im Besonderen zu erklären, beziehungsweise Berührungspunkte zu setzen. Wir haben mit ihm gesprochen.
Thomas Steinmetz vom pfalz-magazin (TS), Harald P. Beckers (HB)
TS: Wie hat das damals mit der Malerei bei dir angefangen, was sind die Wurzeln deiner Arbeit?
HB: Das war schon in der Schule, sogar schon bei der Einschulung der Grundschule, da musste ich einen Baum zeichnen. Das kam anscheinend so gut an, dass ich seither mehr unbewusst in diese Richtung ging. Ich hatte zunächst eine Gestalter-Ausbildung angefangen, aber zwischenzeitlich eine Sonderprüfung bei der Akademie eingereicht und habe zehn Semester Malerei studiert. In dieser Zeit hatte ich mich auch in der Altstadt rumgetrieben und die ganzen Größen dort kennengelernt, wie Joseph Beuys, Gerhard Richter und andere.
TS: Und wie ging es dann weiter?
HB: Danach bin ich dann in die Werbung und hatte da viel Kreatives gearbeitet, wie beispielsweise die Lithografie, Repros usw. Mit dem Scanner ging das dann digital, was viel schneller ging. Danach war ich sogar Art-Director in einer Agentur.
TS: Wie bist du auf die Phantastische Malerei und den philosophischen Ansatz gekommen?
HB: Ich war schon immer ein großer Fan der Wiener Schule, Ernst Fuchs und so weiter. Fotografie ist ja etwas Statisches. Aber in der Malerei kann ich viel weiter gehen und habe alle Möglichkeiten. So kann ich da die Fantasie und die Realität miteinander verbinden!
TS: In deiner Malerei sieht man ja auch oft diese „Verwischungen“, wo der Betrachter eine Bewegung wahrnimmt...
HB: Ja, genau. Da kommt bei mir dann auch der Zeitfaktor hinein. Da kommt ein Gegensatz zustande, das Statische und die Zeit.
TS: Die Herangehensweise des Betrachters zu deinen Bildern ist ja oft eine andere, als deine Intention. Möchtest du bestimmte gesellschaftskritische bzw. politisch kritische Aussagen sofort beim Betrachter auslösen, oder soll der Betrachter selbst die Aussagen erkennen?
HB: Ich beschäftige mich zuerst mit dem Thema, als Beispiel ein Mutter-Sohn-Verhältnis, und versuche herauszubekommen, was funktioniert da und was nicht. Was ist z.B. die Grundhaltung der Mutter zum Kind, welches ja noch nicht beeinflusst ist. Was passiert da durch die Konditionierung. Ganz wichtig dabei ist, dass das gefühlsmäßig rüberkommt. Jeder Betrachter sieht das ja anders, jeder hat da seine eigene Realität.
TS: Das mit der kommunikativen Ebene in der Malerei ist oft ein Phänomen. Picasso sagte ja mal: „Ich sage nicht alles, aber ich male alles!“
HB: Ich sehe darin aber nicht ein wirkliches Problem. Ich male ja ein Bild, nicht um es verkaufen zu wollen... Sonst müsste ich ja erstmal nachdenken, wo ist denn meine Zielgruppe?
(beide lachen)
...und wenn ich dann meine Zielgruppe definiere, dann muss ich ja so malen, damit meine Zielgruppe angesprochen wird. Fürchterlich. Ich male das, was mir auf dem Herzen liegt und dann ist es genau für die, die es abholt; damit hat sich der Fall. Natürlich wird es nicht alle ansprechen, ganz klar. (lacht)
TS: Um schon wieder Picasso zu zitieren: „Ein Maler ist jemand, der malt, was er verkauft. Ein Künstler ist jemand, der das verkauft, was er malt!“
HB: Richtig. Das ist klar, aus dem Grund habe ich mich da auch niemals vom Geld abhängig gemacht. Ich habe das gemalt, was ich wollte. Ich bin damals ja aus der Werbung raus, weil ich da ja die Zielgruppe bedienen musste. Deswegen mache ich das, was mich gerade bewegt, was mich beschäftigt.
TS: Hast du denn irgendwie ein Ziel in der Malerei, wo du noch hinwillst? Hast du noch ein Ideal? Und was hat der Quantismus damit zu tun?
HB: Ich sag mal so. In der Quantenphysik kannst du nicht stehenbleiben. Man kann nur weitergehen. Da gibt es noch soviele Dinge, die zu begreifen sind.
TS: Befindest du dich da in einer Art Weltraum, wo du dich bewegst?
HB: Ja, es ist ein Kosmos der kleinsten Teile. Das Geistige im Gegensatz zur „alten“ Physik. Man hat sich das so vorgestellt, bevor man die kleinsten Teile entdeckt hat, alles wäre determiniert, alles funktioniert wie ein Uhrwerk, man könne sogar voraussagen, wie es endet.
TS: Das ist ja fast wie bei Albert Einstein mit seiner revolutionären Idee mit der Relativitätstheorie...
HB: Ja, genau. Zuerst war er sich ja unsicher, er dachte, das könne ja gar nicht sein, aber später hat man dann in der Physik ja herausgefunden, dass es eben doch stimmte. Und die Quantenphysik unterscheidet sich eben von der alten Physik, dass es da die Möglichkeiten gibt. Es gibt nichts, was man klar definieren könnte. Es kann alles zueinander in Bezug genommen werden und aus dem Geistigen kann alles entstehen. Alles! Es ist nicht vorhersehbar, was daraus entsteht.
TS: Nochmal zurück zu dem „Quantismus“. Das ist ja deine eigene Wortschöpfung. Erkläre doch mal mit einfachen Worten, wie das in Bezug zu deiner Malerei steht!
HB: Das ist schwierig. (lacht) Ja, das hat eben mit dieser alten Physik zu tun, wo ich mich fragte, was mache ich da eigentlich? Und da habe ich mir gedacht, es wäre ein Addismus. Alles wird irgendwie zusammen gezählt, aufeinander gestapelt. Zu einer Aussage gebracht. Dann habe ich mich mit der Quantenphysik beschäftigt, Bücher darüber gelesen und erfahren, dass man die Quantenphysik mit Religiosität in Bezug nehmen kann. Und da bin ich dann darauf gestoßen, dass die Dinge, die ich zeigen will, eigentlich genau damit zusammenhängen. Wenn man das versteht, dann versteht man auch die Zusammenhänge. Ich habe einfach nach einem Begriff gesucht. Was mache ich denn da? Bisher hat auch noch niemand eine Anti-These begründet.
TS: Denkst du, dass sich der Quantismus als eine Art Kunstrichtung entwickeln könnte, wie etwa bei Max Ernst mit seiner „Frottage“?
HB: Nun, das ist nicht unbedingt meine Intention. Denn ich denke ja nicht nur philosophisch darüber nach, sondern beschäftige mich auch kognitiv damit und will immer alles wissen, auch wenn das nicht immer gut ist, alles wissen zu wollen. Und wenn ich etwas worüber wissen will, muss ich auch einen Begriff dafür haben. So habe ich also diesen Begriff genommen und damit abgeglichen, was ich tue, damit ich das kognitiv begreifen kann. Das ist glaub ich, was in der Malerei wichtig ist. Im Geistigen entwickelt sich erstmal die Idee, ganz vage. Und wenn die sich manifestiert, dann wird sie Materie. Und wenn ich das dann verarbeite, was ich da gefühlt oder gedacht habe, dann wird es kognitiv, kommt in die Realität. So haben es geistig behinderte Menschen oft leichter, in dieser Realität, weil sie gar nicht erst darüber nachdenken müssen.
TS: Insofern erinnert mich das auch an Van Gogh, der ja in seiner Gefühlswelt extrem herausgefordert war. Ich will nicht sagen „geistig behindert“, das war er sicher nicht, aber doch brauchte er die Leidenschaft in der Malerei, um diese Genialität zu erreichen. Meinst du das damit?
HB: Ja, da sind wir an dem Punkt, dass wir doch alle konditioniert sind...
TS: Meinst du „konditioniert“ von Politik oder Medien?
HB: Nein, so ganz allgemein. Von den Eltern, der Schule... Wir werden ja so erzogen, wie die Eltern wollen, dass wir sein sollen. Man muss deren Wertvorstellungen übernehmen, deren Moral... dann ist es wichtig, dass mir das später auch bewusst ist. Ich glaube, dass es wichtig ist als Künstler, dass man sich genau darüber bewusst ist, wie man konditioniert ist. Du musst ja loslassen können und andere Realitäten sehen können, begreifen können. Deshalb ist Van Gogh ja auch schier verzweifelt in seinem Nachdenken über die Dinge und in dem Wahn, die Malerei so direkt wie irgend möglich schaffen zu können.
TS: ...und hat sich darüber heftig mit Paul Gauguin gestritten, obwohl deren Malerei ja gar nicht unterschiedlicher sein könnte. Van Gogh hat alles aufgelöst in Struktur, in Striche, während Gauguin alles „brav“ in bunte Flächen sortierte und unterteilte...
HB: Ja, und damit hat Van Gogh unbewusst genau das bereits gefühlt, obwohl er sich mit der Quantenphysik nicht beschäftigt hat. Er spürte, dass alles nur Energie ist, alles in Wellen und alles in Bewegung ist. Er hat ja auch in alles diese Wellen gemalt.
TS: Er hatte ja auch keine geraden Linien gemalt, alles greift ineinander über...
HB: Genau. Alles hat er sozusagen miteinander verbunden. Auch übrigens ein Wahlspruch von mir: „Alles ist mit allem verbunden!“ Genau das ist eigentlich die Kurzfassung von Quantismus. Befreiung durch Erkenntnis. Es ist unbegreiflich, was es da noch alles an Möglichkeiten gibt für die Menschen. Man muss diese Möglichkeit aber zuerst begreifen.
TS: Ein gutes Schlusswort. Ein überaus spannendes Gespräch und macht Appetit darauf, gemeinsam etwas zu erarbeiten! Vielen Dank!
HB: Ja, wird die Zeit bringen. Ich bedanke mich auch.