Songwriter-Legende Albert Hammond im Gespräch mit Thomas Steinmetz
Albert Hammond schreibt seit über 40 Jahren Hits. Aus seiner Feder stammem Welthits wie „The Air that I breathe“ (Hollies), „99 Miles from LA“ (Art Garfunkel), „One Moment in Time“ (Whitney Houston), „When I need you“ (Leo Sayer), „Nothing’s Gonna Stop us now“ (Starship), „I don’t wanna lose you“ and „Way of the World“ (Tina Turner) und „When you tell me that you love me“ (Diana Ross).
Er schrieb Songs für Tom Jones, Joe Cocker, Celine Dion, Chris De Burgh, die Carpenters und Ace of Base. Gemeinsam mit Duffy schrieb und produzierte er die meisten Titel auf deren zweiten, 2010 erschienenen Album „Endlessly“. Auch unter seinem eigenen Namen gelangen ihm unvergessene Hits wie „The Free Electric Band“, „Down By The River“, „It Never Rains In Southern California“ und „I‘m A Train“.
Seine Lieder sind verantwortlich für den Verkauf von über 360 Millionen (!) Platten weltweit, darunter mehr als 30 Chart-Hits. Viele seiner beliebtesten Songs, wie „The Air That I Breathe“ und „When I Need You“ wurden immer wieder Hits - durch diverse Neuinterpretationen wurden diese Songs zu Evergreens, Jahrzehnt für Jahrzehnt. 40 Jahre im Musikgeschäft als Songwriter, Sänger und Entertainer, dies dokumentiert und unterstreicht Albert Hammond jetzt erstmalig mit einer Live-CD, die im deutschen Wilhelmshaven aufgenommen wurde. Kaum zu glauben, aber wahr: Dies ist das erste Live Album, das Albert Hammond veröffentlicht!
Hier unser Exklusiv-Interview mit ihm: TS=Thomas Steinmetz vom Pfalz-Magazin; AH= Albert Hammond
Mai 2014 in Mannheim
TS: Wie ich gelesen habe, bist Du in Gibraltar aufgewachsen?
AH: Ja, das stimmt. Ich bin 1944 in London geboren, während die Bomben fielen. Ich habe keine Ahnung, warum wir damals in dieser Zeit nach London „evakuiert“ wurden, obwohl genau dort die Bomben fielen – und ich bin heute noch enttäuscht darüber. Aber wenige Monate später gingen wir nach Gibraltar, wo unsere Wurzeln waren, zurück. Ich war damals erst 6 Monate alt.
TS: Am Anfang bist Du mit einer Art Boyband durch Spanien getingelt? Ich glaube, das waren die „DIAMOND BOYS“ richtig?
AH: Ja, genau. Wir zogen als allererste Rock‘n‘Roll Band durch Marokko und Spanien, und waren auf diesem Songcontest in Madrid. Diesen Songcontest hatten wir prompt gewonnen und bekamen einen Vertrag mit RCA Records. Damit hatten wir den Rock in Spanien etabliert.
TS: Und später kamst Du dann nach England?
AH: Das war etwa 1961, ja, irgendwie wurde es mir in Spanien zu eng. Und der nächste Schritt war für mich dann die USA, als mir England zu klein wurde. (Alle lachen)
TS: Aber das war noch nicht der Durchbruch, oder?
AH: Nein, das kam erst später, etwa 1968, zusammen mit Mike Hazlewood nahmen wir „Little Arrows“ auf, der ein echter Welthit wurde, der von vielen Interpreten gecovert wurde, der bekannteste war der von Leapy Lee. In Deutschland übernahm dies Catherina Valente... unter dem Namen „Tausend Rosarote Pfeile“. Plötzlich verkaufte ich acht Millionen Platten mit diesem Hit, während ich immer noch als Geschirrspüler arbeitete...!
(Allgemeines Gelächter) Doch, doch! Wirklich! Ich habe in diesem Restaurant in der Londoner Kings Road das Geschirr zusammen mit ein paar Schwarzen gespült und mein kleines Transistor-Radio mitgebracht. Ich sagte zu ihnen: „Hey, hört Euch meinen Song an! Den habe ich geschrieben!“ Die lachten alle bloß verächtlich und meinten „Jetzt mach mal langsam, Junge!“ und „Guter Witz, Bruder!“
TS: Hast Du den Song selbst eigentlich vorher mal veröffentlicht?
AH: Nein, er wurde nur durch Leapy Lee bekannt.
TS: Aber der Durchbruch kam dann, glaube ich, mit „It Never Rains in Southern California?“
AH: Oh ja, das war wirklich ein dramatischer Durchbruch. Aber das war gar nicht so einfach, weil ich den Titel in England schrieb und weitergeben wollte an die „Seekers“ aber die wollten ihn nicht. Die sagten, es wäre ein schreckliches Lied. Dann an Glen Campbell, der auch meinte „schlechter Song“. Also gab ich ihn nie weiter, bis ich in die Staaten kam. Dann hatte ich alle Songs durch bei Clive Davis vorgespielt – außer It Never Rains – und er meinte: „Hast du noch einen weiteren Song parat?“ Ich meinte, „Ja, aber ich weiß nicht so recht... alle sagen, es wäre ein blöder Song“. Jedenfalls kam es so, dass ich ihm den Song vorspielte und er meinte: „Das wird der Titel deines Albums werden!“ und er prophezeite „Das wird ein großartiges Album!“
TS: Vor unserem Gespräch war ich übrigens ganz schön nervös, weil mir bewusst wurde, dass ich als 14-15 jähriger meine ersten Freundinnen küsste, während im Hintergrund Deine Musik gespielt wurde... Wir reden ja hier immerhin von beinahe fünf Jahrzehnten unseres Lebens!
AH: Ja, klar! Ich bin genauso aufgeregt, wenn ich über diese Zeit reden darf. Ich würde aber nie soweit gehen, zu sagen „Früher war alles besser“, schließlich gab es damals wie heute gute und schlechte Lieder. Aber heute ist ein kleines Bisschen weniger Herzblut und Handwerk notwendig bei der Sache als früher. Man musste schließlich noch Vieles von Hand machen, wofür heute die Technik verantwortlich gemacht wird. Darunter leidet Einiges.
TS: Wenn Du so darüber nachdenkst, dass es 15 Jahre gebraucht hatte, um Deinen ersten Hit zu landen, glaubst Du, dass dies viele zurück schrecken lässt?
AH: Ich hatte meinen Traum bereits als 8Jähriger und hatte meine Vorbilder wie Buddy Holly oder Johnny Cash und all diese Typen. Jedenfalls war mein Traum: Ich will sein wie die. Alles fing ja damals in diesem Stripperlokal in Marokko an, ging nach Spanien, dann nach England... aber das alles hat viele viele Jahre gedauert. Schließlich bin ich gelandet, wo ich hin wollte, nach Kalifornien. Ich gab einfach nie auf. Wenn du es dann geschafft hast, sieht jeder nur deinen Erfolg und denkt sich „Der hat‘s gut“, aber niemand sieht dazwischen all diese Niederlagen und schwarzen Momente, wo du gebettelt hast am Bahnsteig, weil du dir nicht mal ein Sandwich kaufen konntest. Oder wo ich in LA in diesem Altenheim wohnte, wo jeden Tag irgendwelche Leute starben. Aber was anderes konnte ich mir eben nicht leisten. Diese Dinge sieht dann niemand.
TS: Was bedeutet dir eigentlich mehr – ein guter Songwriter zu sein oder ein großartiger Musiker?
AH: Ich fühle mich überhaupt nicht als Musiker. Ja, ich hab ein bisschen Gitarre gespielt und ja, dort ein wenig gesungen. Aber dass ich in die Hall of Fame als Songwriter gekommen bin, das bedeutet mir sehr, sehr viel. So viel wie ein Oscar für einen Schauspieler. Ich mache das Ganze mit der Musik eigentlich mehr für mich selbst, ich kann keine eine Band organisieren, habe keine Musik studiert – ich kann noch nichtmal Noten lesen!
TS (fällt vor Fassungslosigkeit fast vom Stuhl) Echt?! Sie können keine Noten lesen?!
AH: Nein, kann ich nicht. Ich bin grad stolz drauf, dass ich herausgefunden habe, dass zwischen den schwarzen und weißen Tasten auf dem Piano Unterschiede bestehen. Aber es liegt ja auch ein Zauber darin, wenn man die Hand irgendwo hin hält und denkt: „Wow, das klingt gut“ und dann einen Musiker fragt und der dann lakonisch aufklärt „Das ist ein Fmajor7“ während es für mich war, als hätte ich die Welt neu entdeckt! Aber die Lieder kommen manchmal einfach, es ist wie Magie.
(Lautes Gelächter)
TS: Zum Schluss: Wenn Sie einem jungen Musiker nur einen einzelnen Tipp geben dürften, wie würde der lauten?
AH: „Never give up!“ (Gib niemals auf!)