Pralinen – Pure Sünde?
Kunstwerk Praline
Schokolade beflügelt die Phantasie der Erotiker. Bis zum 19. Jahrhundert hielt sich die Anschauung, Schokolade sei ein Aphrodisiakum, stärke also die Potenz. Auch Casanova war davon überzeugt. Wahre Wunderdinge bewirkt die geheimnisvolle Chocolatiere Vianne Rocher (Juliette Binoche) in dem Film „Chocolat“. Aber was ist wirklich dran an den kleinen Kunstwerken – der Praline?
(Ausgabe Nr. 39 APR17)
Wer hats erfunden? — Die Erfindung der Praline beanspruchen mehrere Nationen für sich. Nach der deutsch-französichen Version erzählt man sich es so, dass ein Koch am Regensburger Reichstag im 17. Jahrhundert versehentlich Nüsse und Mandeln in flüssige Schokolade fallen gelassen habe. Da es gar nicht so schlimm war und somit eine neue Schoko-Variation erfunden war, wurde dies nach seinem Herrn getauft, dem französischen Gesandten Plessis-Praslin. Die Belgier dagegen sind der Ansicht, der Brüsseler Chocolatièr Jean Neuhaus, ein Nachfahre schweizerischer Auswanderer, habe 1912 erstmals eine Kugel aus Nussbrei in Schokolade getaucht. Alles in allem sollte man die Praline wohl einfach als europäisches Gemeinschaftsprojekt sehen, ehe es wieder zu unnötigen Streitigkeiten und Komplikationen kommt. Denn das Resultat ist das wichtigste bei diesen Geschichten und das kann sich sehen lassen. Im Laufe der Jahre wurde nirgends an so einer Vervollkommnung und Perfektion gearbeitet, wie an diesen kleinen edlen Delikatessen.
Das Geheimnis einer guten Praline ist ihr „Innnenleben“ – die Ganache, welche die Konsistenz und den Geschmack der fertigen Praline prägt. Diese ist ein Gemisch aus Schokolade und Sahne, oft mit Ei und Butter verfeinert, angereichert mit Gewürz, Likör oder Früchtecreme. Ganache wurde zum ersten Mal um das Jahr 1850 in der Pariser Patisserie Siraudin hergestellt. Der Name der Creme soll auf einen Fehler eines Konditorlehrlings zurückzuführen sein, der irrtümlicherweise heiße Milch über Schokolade gegossen hatte. Daraufhin wurde er vom Meister als Ganache beschimpft, was auf Französisch etwa Dummkopf oder Esel bedeutet.
Aber beim Verkosten merkte der Meister schnell, dass es gar nicht so schlecht schmeckt und durchaus genießbar war – so bekam es den Namen, der bei seiner Entstehung gerufen worden war.
Die Kuvertüre, die später darüber gegossen wird, ist nur der letzte Schliff. Je gleichmäßiger und dünner diese Abdeckung auf der Praline liegt, desto besser. Mittlerweile kann man vorgefertigte Schokoladen-Hohlkörper dazu verwenden, in die die Ganache eingefüllt wird, dann noch mit einer besonderen Verzierung verschönert und fertig ist ein kleines Kunstwerk, dass das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.
Die besten Pralinen werden in kleinen Manufakturen von Hand geformt und möglichst frisch an die Kunden verkauft. So wie in dem Filmklassiker „Chocolat – Ein kleiner Biss genügt“ (Originaltitel: „Chocolat“). Vianne Rocher, die mit ihrer Tochter Anouk im verschlafenen Provinzstädtchen Lansquenet-sous-Tannes angekommen ist, hat von ihrer verstorbenen Mutter Chiza die Geheimnisse der Schokoladenzubereitung anvertraut bekommen. Sie stellt regelrechte Kunstwerke aus Schokolade her und experimentiert auch mit außergewöhnlichen Zutaten, sehr zum Ärger der Dorfbewohner. Weil gerade Fastenzeit ist, empören sich viele. Ein Film, bei dem unbedingt eine gute Schachtel Pralinen bereitstehen sollte, am besten Trüffel-Pralinen, denn er verführt regelrecht zum Naschen und wenn man die Augen schließt, dann duftet es schon bei dem Gedanken verführerisch nach Schokolade.
Eine kleine Länderkunde zur Praline:
Die Belgier sind für ihre Pralinen weltberühmt. Dies drückt sich auch im „Schokofestival“ in Brügge aus, das der süßen Leckerei ein ganzes Festivalwochenende widmet. Neben Kochkursen, Workshops, Führungen durch Patisserien und verschiedenen Wellness-Angeboten gibt es sogar eine Modeschau mit Kreationen aus feinster Schokolade. Zu den belgischen Traditionshäusern, die weltweit für höchste Chocolatier-Kunst stehen, zählen Leonidas, Godiva und Neuhaus.
Die bekanntesten belgischen Pralinen sind die aus weißer und dunkler Schokolade geformten Muscheln und Seesterne (Guylian), welche normalerweise eine Nougatfüllung enthalten.
Bei den Deutschen sind die traditionell mit hochprozentigem Alkohol hergestellten Pralinen, wie Weinbrandbohnen oder Rumkugeln, sehr dominant. Aber auch die Marzipanprodukte stehen hierzulande hoch im Kurs. Aber wenn diese unter 25% Schokogehalt haben, dann dürfen sie sich nicht mehr Praline nennen.
Bekannt ist bei uns Deutschen natürlich die „Mon Cheriee“ – eine Praline mit Kirschlikör (etwa 0,66 g) und einer sogenannten „Piemont-Kirsche“ gefüllt. Dass diese Kirsche aber leider nicht aus dem Piemont kommt, ist dem Endverbraucher bekannt und es soll nur eine Qualitätsvorstellung vermittelt werden – schade eigentlich.
Das die Schweizer Chocolatiers zu den Besten weltweit zählen, weiß auch jeder. Am bekanntesten ist der Schweizer Lindt Konzern. Auch in den Märkten sieht man schnell, dass diese Produkte, egal ob zu Ostern oder Weihnachten, in den Regalen dominieren. Die Nougat-, Krokant-, Marzipan- und Trüffelkreationen sind Klassiker und zergehen regelrecht auf der Zunge.
Der französische Markt für Schokoladen und Pralinen ist geprägt von kleineren, regional aufgestellten Confiserien. Ein bekannter Handwerksmeister ist Joel Durand, der seine Pralinen mit Buchstaben bedruckt – „l’alphabet des saveurs“ (Das Alphabet der Geschmäcker). Im Gegensatz zu vieler seiner Kollegen hat er sich nicht in einer der Metropolen des Landes niedergelassen, sondern sein Handwerk im kleinen Städtchen Saint-Rémy-de-Provence 20 km nördlich von Avignon. Die Vielfalt der Früchte und die Düfte der Kräuter, die in der Provence im Überfluss wachsen, prägen somit auch seine Kreationen. So steht z.B. ein B für eine Basilikum-Ganache.
Auch die Italiener blicken auf eine lange Tradition in der Pralinenherstellung zurück. So entstanden im Laufe von 200 Jahren einmalige Kreationen. Die Italiener sind für ihren hervorragenden Espresso bekannt und so gehört natürlich zu den italienischen Spezialitäten eine Espresso-Praline, bei der die Ganache mit einem kräftigen Kaffee aromatisiert wird. Auch Nuss-Nougat-Variationen mit der besonders geschmackvollen Haselnuss aus Piemont sind beliebte Klassiker.
Auch bei uns in der Pfalz haben sich Patisserien auf die Produktion feinster Trüffelpralinen spezialisiert und in einem Pralinenseminar kann man einmal Chocolatier sein und unter fachmännischer Anleitung eigene, köstliche Pralinen herstellen.
RS