„Hygge“ – Heimeligkeit als Lebensprinzip
„Hyggelig å treffe deg“ heißt auf Norwegisch nichts Geringeres als „Schön, dich zu treffen.“
2012 wurde der World Happiness Report ins Leben gerufen. Dabei haben Forscher der New Yorker Columbia University sowie internationale Experten mehr als 3.000 Menschen aus 155 Ländern befragt.
(Ausgabe Nr. 44 APR18)
Am „Weltglückstag“ (20. März) wurde der UN-Bericht veröffentlicht, mit folgenden Ergebnissen: Platz 1 belegt Norwegen, dicht gefolgt von Dänemark, Island, Schweiz, Finnland, Niederlande, Kanada und Neuseeland. Deutschland stagniert auf Platz 16.
Was haben die Dänen und die Norweger gemeinsam, dass sie seit Jahren ganz vorne auf der Glücksskala landen? Der Duden hat die skandinavische Glücksformel mittlerweile sogar in seinen Wortschatz aufgenommen: „Hygge“, was so viel wie „angenehm“ bedeutet. „Hyggelig å treffe deg“ heißt auf Norwegisch nichts Geringeres als „Schön, dich zu treffen.“ Und darum geht es: Das Leben so angenehm wie möglich gestalten. Weniger Smartphone-Konsum und Politikverdrossenheit, dafür mehr Familie, Freunde und Dinner-Partys.
Das Hygge-Konzeption hat dabei viele Vorgänger und Verwandte. Von der Biedermeierzeit über Simple Life bis hin zu Slow Food zieht sich das Grundrezept der Einfachheit durch die Geschichte der Menschheit. Im Grunde wollen wir schon immer einen gesunden Hedonismus leben, sprich Schmerz und Leid vermeiden und dabei möglichst viel Freude erleben.
Die Hygge-Regeln sind recht einfach. Wenn man sie beachtet, steht dem IKEA-Katalog-Leben nichts mehr bevor: Kuschelsocken und -decken, Kerzen, selbstgebackene Kekse, Kaminfeuer, ein schöner Schmöker und heißer Tee. Doch das scheint fast zu einfach zu sein. Es stellt sich nämlich die Frage, was zuerst da war: Der Platz 1 auf dem weltweiten Glücklichsein-Index oder die Erfindung der Hyggeligkeit? Skandinavien hat bekanntermaßen die besten Voraussetzungen und gilt als das Land, wenn es um Kinderfreundlichkeit geht. Freie Bildung, beste Renten-, Sozial- und Krankenversicherung, mindestens einen Monat bezahlter Urlaub, eine boomende Wirtschaft. Kein Wunder, dass da Hygge so leicht fällt.
Aber trotz unserer Wirtschafts- und Politikverdruss können und sollten wir gen kalten Norden schauen und mit bewundernden Augen innehalten und sagen: Ja, lasst uns doch mal wieder entschleunigen. Lasst uns das stürmische Wetter genießen und uns nicht die Laune verderben lassen. Lasst uns bewusst ein- und ausatmen und unserer Umwelt neue Aufmerksamkeit schenken. Bewusst glücklich zu sein ist auch eine Lebenseinstellung, eine Entscheidung. Ob wir uns ärgern und stressen lassen, hängt oft von uns selbst ab.
Also, Kopf hoch und auf in ein entspannteres Jahr – ob mit oder ohne selbstgestrickten Wollsocken. Darauf jetzt einen Tee.
SC