Die Ernährung der Deutschen
von Thomas Steinmetz
Die Palette der Lebensmittel war noch nie so reichhaltig und variantenreich wie heutzutage; gleichzeitig gab es noch nie so viele Menschen, die geradezu religiös-fanatisch verschiedene Verzichterklärungen, Diäten und Sonderformen der Ernährung für sich beanspruchen. Wissenschaftler scheinen sich gegenseitig zu widersprechen in der Aussage der optimalen Ernährung. Aber meine persönliche Frage lautet: Ist essen eigentlich alles? Und vor allem: Wo bleibt da eigentlich noch der sorglose Spaß am Essen?
Glutenarm, Superfood, laktosefrei, fleischlos, Steinzeitdiät, Southbeachdiät, Low-Carb... und so weiter und so fort. Täglich werden wir bombardiert mit den unterschiedlichsten Weisheiten über die Ernährung. Die große Frage, die sich dabei stellt, ist: Wie sinnvoll sind diese Weisheiten eigentlich – und wem nützen sie? Würde man alles glauben, was uns Ernährungswissenschaftler da so alles einreden möchten, würde man quasi ständig hin- und her manövriert in die widersprüchlichsten Aspekte übers Essen, dass es einem ganz schwindelig wird und man am Schluss überhaupt nichts mehr weiß oder gar wissen will. Der Spaß am Essen ist dabei schon seit langem über Bord geworfen worden.
Lassen wir die Kirche aber zunächst mal im Dorf. Noch niemals hat man so bewusst über das Essen nachgedacht wie in unseren Tagen – das ist ja schließlich an und für sich nichts schlechtes. Denn vor gerade mal zwei Generationen musste man darüber eher nachdenken, wo man überhaupt etwas essbares herbekommt, bevor man an Hunger stirbt. In vielen Ländern dieser Erde ist das ohnehin das Hauptproblem. Würden diese von der Not geplagten Menschen von unseren „Problemen“ hören, die wir uns machen, würden die uns wohl auslachen, wenn ihnen nicht zum Weinen zumute wäre. Nochmal. Es ist gut, dass wir uns bewusster ernähren und darüber nachdenken, was wir uns und unserem Körper durch die Ernährung antun. Nicht alles, was uns im Supermarkt dargeboten wird – und schon gar nicht alles, was uns die Werbung täglich in die Ohren brüllt – ist nützlich und gut für unser System. Die Aufklärung über die Tatsache, dass man zuviel Fett und Zucker meiden sollte, ist ja auch nicht gerade etwas neues.
Seltsam wird der ganze Hype um die Ernährung aber spätestens dann, wenn es um eine fast schon religiöse Angelegenheit geht. Manche Menschen neigen zunehmend dazu, ihre Ernährungsweise nicht nur für sich selbst streng und disziplinarisch anzuwenden, sondern gehen dazu über, einen Religionskrieg auszufechten, indem sie mehr oder minder verbale Bomben und Granaten werfen gegen die „Ungläubigen“, die zum Beispiel „immer noch“ Fleisch essen. Man bekommt den Eindruck, dass Ernährungs-Communities gebildet werden, in deren Club man nur eintreten darf, wenn man militant genug seine Ernährungsphilosophie und -religion in seiner Umgebung zu verteidigen imstande ist, nach dem Motto „Ich verhalte mich ethisch völlig richtig. Ich verbiete mir jeglichen Zugang, der irgend etwas mit Tierhaltung und/oder Produktion mit den Zutaten tierischen Ursprungs zu tun hat. Auch meine Gummibären dürfen keine Gelatine enthalten. Mein Frühstück kommt völlig ohne Milch und Käse aus. Fleisch, Geflügel und Fisch sind ohnehin völlig tabu!“ Diese Glaubenslehre wird täglich untermauert, indem man seine Umwelt permanent erinnert, etwa beim Anblick einer mit Steaks gefüllten Pfanne: „Iiih, das sind ja Leichenteile!“
Aus objektiv-wissenschaftlicher Sicht ist völlig klar: Veganer leben keineswegs gesünder als Allesesser, die dabei auf ausgewogene, auf Gesundheit ausgerichtete Ernährung achten. Der Mensch ist nunmal genetisch so programmiert, dass er alles essen kann. Selbst die so hoch im Kurs stehende Steinzeit-Diät, die angeblich die natürlichste Ernährung sei, ist schlicht Unsinn. Damit man keine Mangelerscheinungen bekommt, wenn man sich dauerhaft einer bestimmten Art von Diät verschreibt, wie zum Beispiel einer veganen Ernährung, muss man wesentlich mehr auf bestimmte zusätzliche Nährstoffe achten, wie beispielsweise B-Vitaminen. Richtig gefährlich wird es sogar, wenn Schwangere sich vegan ernähren und sogar Babys ausschließlich vegan essen sollen. Bei der Entwicklung von Kindern ist mit der Ernährung nun wirklich nicht zu spaßen.
Auch bei dem Laktose-, Fructose- und Gluten-Hype sind viel zu viele Menschen aufgesprungen und bilden sich ein, sich gesünder zu ernähren, wenn sie auf diese Dinge rigoros verzichten. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Rund 19 Prozent aller Jungen Erwachsenen zählen auf derlei Verzichterklärungen. Wobei aber beispielsweise nur ein einziges Prozent tatsächlich an einer Gluten-Intoleranz leidet. Man lässt sich von der Hysterie der Werbung einnehmen und bildet sich ein, teure Mittel einkaufen zu müssen, die ohne diese „verklebenden“ Bestandteile hergestellt sind.
Nun, wie kann man sich aber nun zurecht finden in diesem ernährungskonzeptionellen Dschungel, der tatsächlich voller Widersprüche ist? Die Antwort ist geradezu schockierend einfach. Weg mit sämtlichen rigiden Gesetzen (außer bei bestimmten Erkrankungen, versteht sich!). Stattdessen lieber achten auf eine Obst- und Gemüsereiche Kost, möglichst ohne industrielle Verarbeitung (z.B. möglichst wenig Wurst und Fertigprodukte) und beim Fleischeinkauf auf eine gute Herkunft achten. Viel Bewegung an der frischen Luft tut sein übriges. Haben Sie Spaß am Essen, hören Sie auf Ihren Körper und bleiben Sie gesund!
Thomas Steinmetz