Zwockelsbrück in Neustadt
Besucht am 11. November 2016
Als die Pfalz noch bayrisch war, bezeichnete man die nicht unbedingt übermäßig beliebten altbayrischen Beamten aus dem fernen München als „Zwockel“. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts trägt auch eine Neustadter Straßenbrücke in der Nähe des Hauptbahnhofes diesen Namen. Dort befindet sich ein altehrwürdiges Sandsteingebäude, auf dessen Schild der Name „Weinstube Zwockelsbrück“ in goldenen Lettern geschrieben steht und von dessen Warte aus man einen schönen Blick auf die gegenüberliegenden Weinberge genießt.
Eine Idylle mitten in der Stadt und eine echte Pfälzer Traditionsadresse, die seit dem Frühjahr 2015 von einem engagierten, jungen Team geleitet wird. Mit dem Kurpfälzer Pierre Hartung im Service und dem Norddeutschen Sven Niederbremer am Herd haben sich hier zwei Profis zusammengetan, die aber auch gar nichts mit der als engstirnig und formalistisch empfundenen Denkart und Arbeitsweise der bayrischen Beamten von einst gemein haben.
Das Innere des Restaurants zeichnet sich durch sein stilvoll nostalgisches Landhausambiente mit heimelig anmutendem Wohnzimmerflair aus. An den hohen, in hellem Gelb erstrahlenden Wänden hängt allerlei eingerahmte Kunst. Einfach gehaltene Wandbänke und aparte Holzstühle sorgen mit entsprechender Polsterung für adäquaten Sitzkomfort. Durch hohe Rundbogen-Fenster fällt unser Blick nach draußen. Drinnen auf den rustikalen Holztischen herrscht schlichte Einfachheit vor. Wein- und Wassergläser in glänzend schöner Ästhetik, qualitativ hochwertiges Einfachbesteck und sorgsam gefaltete Stoffservietten sorgen für bodenständige Eleganz.
Man reicht uns die Speisen- und Weinkarte, nicht ohne auf die Möglichkeit eines Aperitifs hinzuweisen. Aber man tut dies in der Zwockelsbrück auf eine so charmant diskrete Art und Weise, dass man sich als Gast weder genötigt, noch überberaten fühlt. Mit geschultem Auge und seiner authentischen Lockerheit sammelt Servicechef Pierre Hartung mächtig Sympathiepunkte. Das geht eigentlich kaum besser und ist einer der ganz großen Trümpfe dieses Restaurants.
Der zweite große Trumpf der Zwockelsbrück steht am Herd. Chefkoch Sven Niederbremer ist „nordisch by nature“ und hat sich bereits im Bremer „Moro“ mit seinem raffinierten Kochstil einen Namen gemacht. Nach einem Kurzauftritt im „Schlössl“ zu Oberotterbach zog es Niederbremer nach Heidelberg, wo er die einsternige Weihe des Guide Michelin über sich ergehen lassen durfte. Dort traf er, wie schon gesagt, auf Pierre Hartung und das Ergebnis dieser Wegkreuzung befindet sich nun in Neustadt.
Wir schlagen die schön kompakt gehaltene, sorgfältig zusammengestellte Speisekarte auf. Unsere Wahl fällt auf das aktuell angebotene 5-Gang-Menü (56 Euro), sowie den „Caesar Salad Zwockelsbrück“ (9 Euro) und den „Gegrillten Seeteufel mit Sellerie-Brunnenkresse-Risotto und Beurre blanc“ (24 Euro, siehe Foto) aus der Karte. Dazu gesellen sich aus der üppig bestückten, erfreulich pfalzlastigen Weinkarte zwei offene Vertreter: eine trocken ausgebaute Scheurebe von Theo Minges aus Flemlingen (4,20 Euro das Viertel) sowie eine aus Merlot und Shiraz erzeugte südafrikanische Cuvée namens „Red“ (das Viertel für 6,80 Euro).
Als kleiner Küchengruß werden uns ein paar Scheiben Weiß- und Knäckebrot mit zwei Mini-Schälchen „Frankfotter Grie Soß“ zum Dippen auf einem schlichten Holztablett gereicht. Gleich der erste Gang weiß geschmacklich zu überzeugen. Saftige Tranchen von der geräucherten Gänsebrust machen aus dem mit einer süßlichen Vinaigrette angemachten Feldsalat etwas Besonderes. Die Zwockelsbrück-Variante unseres Caesar Salad weiß nicht nur texturell zu überraschen. Der resche Serranoschinken und der würzige Parmesan bedeuten pures Umami-Vergnügen.
Nach einer geradlinig abgeschmeckten, schön sämigen Kürbissuppe, der ein wenig mehr Würze nicht geschadet hätte, stellt uns Pierre Hartung schelmisch grinsend ein geschlossenes, völlig „zugenebeltes“ Einmachglas auf den Tisch. Erst nach dem Öffnen der gläsernen „Rauchbombe“ tritt das geräucherte Onsen-Ei zu Tage. Laut Serviceleiter wurde es ca. eine Stunde lang bei exakt 64 Grad auf seinen Kurzauftritt im Glas vorbereitet. Dass da viel Rauch um wenig Ei ist, stört nicht im Geringsten. Zusammen mit dem erdigen Pilz-Geschmack und der leicht säuerlichen Haferflockenmasse ist ein ganz besonderes, sehr eigenständiges Geschmackserlebnis, das uns ein wenig an die Esslandschaften der nordischen Küche erinnerte.
Es wird Zeit für die beiden Hauptgänge. Bei meiner Gänsekeule wird der angedachte Rotkohl auf meinen Wunsch gegen Winter-Wurzelgemüse eingetauscht. Darauf liegt die perfekt gegrillte Gänsekeule mit krosser, würziger Haut und sehr zartem Fleisch. Ein kleiner Kleks Kastaniengemüse und ein flauschig-mürber Kartoffelkloß komplettieren als Beilagen das Martins-Essen. Die Portion ist reichlich, aber nicht überladen und vom Geschmack her ohne Fehl und Tadel. Der gegrillte Seeteufel liegt im optimalen Garungsgrad auf dem Teller. Beiden Hauptgerichten merkt man an, dass hier qualitativ hochwertige, frische Produkte schonend veredelt wurden.
Genau wie das Onsen-Ei wird auch das Dessert in einem Einmachglas serviert. Hinter den Begriffen „Schokolade“ und „Mandarine“ verbirgt sich ein süßes Potpourri verschiedenster Schoko-Sünden. Weißes und braunes Mousse, selbstgemachtes Nougat und kleine, mit Knallbrause gefüllte Kugeln sorgen für ein abwechslungsreiches Finale und sind ein würdiger und äußerst köstlicher Schlusspunkt eines in sich sehr stimmigen 5-Gang-Menüs, das seine 56 Euro absolut wert ist.
Fazit:
Nach einer netten Plauderei mit Chefkoch Niederbremer verlassen wir rundum gesättigt und hochzufrieden die Zwockelsbrück. Aufgrund der Bahnhofsnähe wäre beim nächsten Besuch auch die Anreise mit dem Regional-Express eine Option. So gesehen ist die Zwockelsbrück ein überaus liebenswertes „Always-come-back-Restaurant“, bei dem das sehr angenehme Verhältnis von Preis und Qualität besonders hervorzuheben ist.
Zwockelsbrück
Bergstraße 1 | 67434 Neustadt/Weinstraße
Telefon 06321 - 87 91 707