St. Martiner Castell
Besucht am So, 24. November 2013
Nach einem ausgiebigen Sonntagmittag-Spaziergang durch das malerische St. Martin, nur einen Steinwurf entfernt von der Deutschen Weinstraße, hatten wir um die Mittagszeit mächtigen Appetit. Da St. Martin nicht gerade arm an Gaststätten ist und wir schon fast alle Lokalitäten des Örtchens kulinarisch inspiziert hatten, zog es uns dieses Mal zum St. Martiner Castell, wo wir noch nie waren.
Karte
Wir finden auf der Speisekarte eine löblicherweise nicht zu üppige Auswahl vor, alles im durchschnittlich-bürgerlichen Portfolio, ohne nennenswerte Überraschungen. Da das Preisniveau entsprechend „angehoben“ ist, schraubt man die Erwartungen selbstredend ebenfalls etwas an. Vorspeisen um 10 Euro, Suppen um 5 Euro; Hauptgerichte zwischen 12,20 für Steinpilzravioli bis hin zu Lammcarré unter Kräuterkruste für 21,50. Gekrönt wird die Karte mit Nachspeisen zwischen 4,50 und 8,20. Letzteres ein Grand-Marnier-Parfait im Krokantmantel. Dazu gibt‘s etliche Menüvorschläge und sogenannte „Kulinarische Weinproben“, die jedoch nur buchbar sind ab 10 bzw. sogar nur ab 15 Personen für die Weinproben-Variante (im 5cl-Glas!). Die Idee, so etwas in einem Restaurant anzubieten, ist zwar gar nicht schlecht, aber der Umstand mit der Mindestpersonenzahl, verbunden mit den recht gehobenen Preisen dürften so manchen Gast abschrecken (von 34,20 bis zu 87,10 pro Person)
An diesem Sonntag jedoch gab es eine saisonale Wild- und Gänsekarte, wovon ich die Gänsebrust mit Kroketten, Rosenkohl und Kastaniengemüse (17,80 siehe Bild links) wählte, meine Begleitung entschied sich für den Hirschrücken mit Schupfnudeln und Rahmwirsing (21,80, siehe Bild rechts).
Wein
Die Weinkarte zeigt leider nur wenig Weitblick, sie ist streng begrenzt auf den Eigentümer des Gebäudes, nämlich „Altes Schlösschen“. Wie so oft wird auch in diesem Fall der Gast gezwungen, während des Essens die Vinifizierungen eines einzelnen Winzers zu verkosten, ohne ihm einen gewissen Überblick über die mannigfaltigen Tröpfchen, die es bei uns in der Pfalz gottlob gibt, zu gewähren. Lobenswerterweise gibt es mittlerweile sogar einige Winzer, die über ihren „eigenen Schatten zu springen“ in der Lage sind, indem sie nicht nur ihre eigenen Weine auf der Karte stehen haben, sondern dem Gast auch „konkurrierende“ Winzer mit anzubieten. Dies würde auch dem Castell in Zukunft gut zu Gesicht stehen, falls man Wert darauf legen sollte, auch anspruchsvollere, mündigere Gäste zu bewirten.
Essen
Meine Begleitung lobte das butterzart gebratene, mit einer köstlich dunkel-reduzierten Weinsauce umschmeichelte Hirschrückensteak. Ebenso gemundet hatten die hausgemachten Schupfnudeln und das Gemüse. Daumen nach oben. Leider trifft dies Lob über meine Gänsebrust nicht zu. Leider muss ich sagen, dass ich schon für weniger Geld bessere Gänsebrust auf dem Teller hatte. Irgendwie schmeckte es aufgewärmt und war leider ziemlich trocken. Auch eine schmackhafte Sauce konnte über diesen Umstand nicht hinweg helfen. Hinzu kommt der Vauxpas, Fertig-Kroketten dazu zu servieren. Ich hätte erwartet, in einem Restaurant dieser Klasse etwas Kreativeres vorzufinden. Leider war der Rosenkohl ebenfalls wenig liebevoll behandelt. Hier stimmte das Preis-Leistungsverhältnis leider nicht.
Ambiente
Über dem Ambiente des Castell schwebt noch der Geist der 70er Jahre, wo dunkle Eichenhölzer nebst verschnörkelten Mustern überall das Bild dominierten. Leider trifft dieses leicht angestaubte Geschmacksbild überall zu, wohin man sieht. Wir vermuten jedenfalls, dass die Menschen, die sich in diesem Ambiente noch wohl fühlen, langsam aussterben werden.
Service
Auch der zwar freundliche Service entspricht eher dem Durchschnitt und wirkt etwas unprofessionell-genervt stellenweise. An einem Nachbartisch war eine größere Gesellschaft mit kleinen Kindern, die während der Wartezeit aufs Essen herumtollten. Das Personal hatte mehrfach plump mit strengen Worten die Kinder zur Ruhe ermahnt. Schade, das wäre ebenfalls besser und geschickter möglich gewesen...
Fazit
Das Gesamtkonzept des Castell scheint leicht angestaubt, dies trifft sowohl für die gehoben-bürgerliche Küche, die hier nicht immer völlig fehlerfrei ist, als auch für das Ambiente zu. Nachdem wir bereits im Vorfeld ähnliche Meinungen in dieser Richtung hörten, kann man unsere Erfahrung also in gewisser Hinsicht als Bestätigung werten, auch wenn wir schon oft erlebten, dass sich unsere Meinung überhaupt nicht immer mit dem allgemeinen Ruf deckt. In Anbetracht des regen Publikumsverkehrs, besonders hier im Touristenmassen-Magnet St. Martin, dürften diese Umstände aber wohl vorerst kaum eine „Gefahr“ darstellen. Alles in Allem aber trotzdem noch recht empfehlenswert.
St. Martiner Castell
Maikammerer Straße 2 | 67487 St. Martin