s'Reiwerle in Annweiler
Flitschberg 7 | 76855 Annweiler
www.reiwerle.de
Telefon: 06346 929 362
besucht am Sa., 4. Februar 2023, abends
Unfassbar. Den letzten ANOGAST Bericht veröffentlichten wir vor genau drei Jahren! Während ich diese Zeilen schreibe, erinnere ich mich recht ungern an die zurück liegende, sogenannte Pandemie, die uns viele Monate und viele Impf-Runden nicht nur in kulinarischer Hinsicht in Atem hielt. Egal wie nun der Leser darüber politisch denken mag, lustig war dies auf gar keinen Fall; schließlich betraf dies nicht nur an Corona Erkrankte, sondern alle Bürger – mehr oder weniger direkt.
Apropos „politisch“. Während diesen unliebsamen Zeiten gab es einige wenige Gastronomen, die alle möglichen und unmöglichen Wege fanden, um wenigstens halbwegs diese Zeit finanziell überleben zu können. Erst recht, wenn die Betreiber, wie hier, öffentlich ihre Ansichten nicht nur persönlich, sondern sogar in den einschlägigen sozialen Medien verbreiten. Zu diesen „kreativen“ Gastronomen gehört auch das Reiwerle in Annweiler, dessen Betreiberpaar schon einige Häuser in der Südpfalz bekocht hat. Man dürfte allgemein behaupten, dass die Küche des „ambitionierten Helden“ in der Küche, Tobias Fink, sich damit in der gehobenen Mittelklasse befindet. Es findet sich hier zwar vorwiegend deftige Hausmannskost, jedoch auf ein kulinarisches Niveau gehoben, welches beim Essen wahre Freude auszulösen imstande ist. Gemüse, Salate,
Fleisch und Beilagen, nebst den obligatorischen Süßspeisen, werden überaus gekonnt und mit sehr viel Herzblut zubereitet, dass man wahrlich mit der Zunge schnalzen mag. Man kauft überwiegend regional ein und achtet auf gute Qualität. Dass solch eine Frischeküche allerdings nicht „für 9,99“ zu haben ist, versteht sich eigentlich von selbst.
Gemäß den politischen Überzeugungen bietet man sinnigerweise zum Beispiel ein „Freiheitsmenü“, bestehend aus Kartoffel-Weißkraut-Suppe, Gefüllten Blätterteigtaschen und Kastanien-Schokoladen-Parfait, für insgesamt 38 Euro an.
Vorspeise
Aus den Vorspeisenvariationen von Suppen und Salaten zwischen 8,50 und 20 Euro entscheiden wir uns für den Feldsalat an Kartoffel-Vinaigrette mit Speck und Croûtons für 12,– Euro (siehe Bild rechte Seite oben). Der Feldsalat fand sich eingebettet in ein Körbchen von Radiccioblättern, umrankt von überaus reichlich beiliegenden Croûtons. Dazu gesellen sich – offensichtlich sautierte – Cocktailtomätchen. Diesen überaus gekonnt zubereiteten Feldsalat würde man ganz sicher wieder bestellen. Ob man allerdings dermaßen viel Beiwerk wollte, sei dahin gestellt. Uns schmeckte es jedenfalls.
Während wir auf die Hauptspeise warten, wandert unser Blick durch den sehr rustikal-gediegenen, aber gleichsam hell wirkenden Gastraum. Ganz offensichtlich passt die Küche zu dem Ambiente. Wenn man aufmerksam den Gästen zuhört, gewinnt man sehr schnell den Eindruck, dass sich hier sozusagen die „Créme der Fans der Freiheit“ trifft. Man redet hier ganz offen und ungeniert über die Dinge, die während der vergangenen drei Jahre so passiert sind. Schon beim Betreten des Lokals prangt ein großes Schild, auf dem zu lesen ist: „Kinderlachen statt Maskenfolter“. Nun ja, wie gesagt. Egal, wie man hierzu stehen mag, wir wollten auf jeden Fall diesem Lokal ein wohlwollendes Augenmerk schenken, ohne uns dabei von einseitig geprägten Einschätzungen hierüber abhalten zu lassen.
Hauptspeise
Aus den teils vegetarischen Hauptgerichten zwischen 20 und 30 Euro wählten wir das Schweinerückensteak gebraten, mit geschmolzenen Zwiebeln, Gemüse, mit dreierlei Butter und Pommes Frites, für sehr faire 21 Euro (siehe Bild mitte) Ich hatte ganz vergessen, wie saftig und schmackhaft ein Rückensteak vom Schwein schmecken kann. Auch die sehr breit geschnittenen „Steakhaus-Pommes?“ sind ohnehin meine erste Wahl. Das gedämpfte Gemüse schmeckte authentisch und noch mit dem nötigen „Biss“. Opulent und deftig die geschmolzenen Zwiebeln, die dem Ganzen den nötigen Pfälzer Touch verleihen. Mal wieder eine Fleischportion, bei der man nicht nur Lust am Essen hat, sondern auch noch satt wird! Chapeau!
Nachtisch
Zum Abschluss hatten wir Lust auf Panacotta au Café mit karamellisierten Walnüssen und Eierlikör, aus dem „Friedens-Menü“ (siehe Bild rechts unten) Auch hier verbindet man gekonnt Kreativität mit bekannten Mitteln. Die Panacotta herzhaft, nicht zu süß und mit der zu erwartenden, leichten Bitternote. Dazu passen nicht nur die Nüsse, sondern natürlich auch der Eierlikör, der mit seiner zarten Alkoholnote dem Ganzen eine gewisse Geschmacksverstärkung verleiht.
Die Weine
Wenn man nun unbedingt einen Minuspunkt finden wollte, so würden wir bei der Weinkarte anfangen. Leider finden sich auf der Karte ausschließlich Weine von nur einem einzigen Winzer.
Fazit
Das Reiwerle ist eine überaus empfehlenswerte Adresse für alle Fans der „gehobenen“ Pfälzer Küche. Dass die politischen Ansichten der Gäste sowie der Betreiber nicht immer den allgemeinen Überzeugungen unserer Mitmenschen, geschweige denn der Medien und der Politik übereinstimmen, sollte aber hier auf gar keinen Fall abschreckend wirken. Immerhin haben wir ja hoffentlich immer noch Meinungsfreiheit in unserem Land. Die Küche sowie das Ambiente verdient auf jeden Fall einen Besuch, auch dann, wenn wir nur einen Winzer auf der Karte entdecken können!