Winzersekte
Niemand weiß, wo, wann und wie zum ersten Mal ein Glas prickelnden  Schaumweins mit Genuss geleert wurde. Mit Sicherheit war der Glückliche  nicht das Mönchlein Dom Perignon, der in der Abtei von Hautvillers in der Champagne den Schaumwein zufällig „erfunden” hatte. 
Der  blinde Kellermeister kämpfte sein Leben lang gegen die zweite Gärung  seiner liebevoll gekelterten Weine, war aber am Ende dann doch stolz auf  seinen ersten „vinmousseux”. Das mit Bestimmtheit allererste Zitat über  den Schaumwein stammt von ihm. 
Nach Verkostung des prickelnden Rebensafts rief er begeistert aus: 
„Brüder, kommt schnell, ich trinke Sterne!” 
Doch  schon zwei Jahrzehnte zuvor kannte man in England den Schaumwein, der  so beliebt war, dass er 1667 sogar in einem Gedicht auftauchte.  Die  Engländer hatten damals bereits Glasflaschen, die dem Druck der Gärung  standhielten. Und sie hatten Korken. Hier ein Auszug aus einem  achtseitigen Dokument des Christopher Merret vom 17. Dezember 1662: 
„ ...dass unsere Weinerzeuger in jüngster Zeit allen Arten von Weinen Zucker und Melasse zusetzen, um sie frisch zu halten und perlend zu machen.”
Das war sechs Jahre bevor Dom Perignon zu experimentieren begann  und 70 Jahre vor der Gründung des ersten Champagner-Hauses in  Frankreich. 
Wer in Deutschland zuerst den schäumenden Wein  herstellte, ist nicht sicher. Die Pioniere der deutschen Sekterzeugung  waren jedenfalls junge Winzer, die nach Frankreich gingen, um  Erfahrungen in der Champagne zu sammeln. Einige blieben gleich dort,  heirateten ein oder gründeten eigene Kellereien – der Grund, warum viele  französische Champagnerhäuser so unfranzösische Namen haben. Die  meisten von ihnen kehrten jedoch zu unserem Glück zurück in die Heimat  und begründeten die deutsche Sektkultur. 1849 gab es in Deutschland  bereits 43 Betriebe, der Boom begann, Sekt machte von sich reden. 1872  lag die Jahresproduktion bei vier Millionen Flaschen. Die  Weltausstellung in Paris brachte 1876 die erste Goldmedaille für  deutschen Sekt - und machte ihn damit zum offiziellen Konkurrenten des  französischen Champagner. 
„Rheingold”, ein Riesling-Sekt aus dem  Hause Söhnlein in Wiesbaden, wurde weltweit zum Begriff. Der deutsche  Kaiser Wilhelm I. war so begeistert vom Rheingold, dass er anordnete,  bei Schiffstaufen nur noch diesen zu zerschmettern – und zu trinken.  Kaiser Wilhelm II. hatte noch ein ganz anderes Interesse an Sekt: Er führte die Sektsteuer ein, weil er dringend Geld benötigte,  um seine Flotte zu finanzieren. Die Flotte ist schon lange  Vergangenheit, die Sektsteuer jedoch ist geblieben. Seit 2002 beträgt  die Sektsteuer einen Euro. Und niemand muss mehr alleine trinken, denn  kein Schluck vom köstlichen Schaumwein, bei dem Vater Staat nicht mit  von der Partie ist.
Die Bezeichnung „Sekt” stammt übrigens vom  lateinischen „siccus” (=trocken), ab und wanderte über das spanische  „secco” und das englische „sack” um 1640 in die deutsche Sprache als  „seck” ein. Zunächst meinte „seck” jedoch einen stillen, süßen  spanischen Wein und hatte mit Schaumwein nichts zu tun. 1925 wurde  „Sekt” amtlich, nachdem die Bezeichnung „Champagner” den deutschen  Herstellern durch den Versailler Vertrag verboten wurde. 
Die Erfahrung und Sorgfalt des Winzers bestimmt die Güte der Trauben,  die nach der Weinlese vorsichtig gekeltert werden, damit keine  störenden Geschmacksstoffe aus Kernen oder Stielen in den Traubenmost  gelangen. In Fässer gefüllt, beginnt der Most nun unter Einwirkung von  Weinhefe zu gären. Der dabei entstehende Alkohol, der zwischen 8 und  12% vol erreicht, bindet die Aroma- und Bukettstoffe im Wein. Danach  wird der klare und helle Wein abgezogen und die trübe Hefe bleibt dabei  zurück. Der Wein muss nun einige Monate ruhen, denn nur reifer Wein mit  vollen Duft- und Geschmacksstoffen kann Grundlage zur Sektherstellung  sein. Durch Auswahl und Zusammenstellung verschiedener Grundweine  bestimmt der Kellermeister maßgeblich die Qualität und den Charakter  eines Sektes. Schon bei der Weinauswahl schätzt der Kellermeister ab,  wie sich die Weine bei der anschließenden Entwicklung zum Sekt verhalten  werden. Die optimale Zusammenstellung sorgt für den gleichbleibenden  Charakter und die unveränderte Qualität einer Sektmarke, unabhängig von  den Launen der Natur. 
Einzige Ausnahme sind die Jahrgangssekte, bei  denen jahrgangsspezifische Besonderheiten erwünscht sind. Das Besondere  daran ist, dass erst aus der zweiten Gärung des Weines der Sekt  entsteht.
 
Bei uns in der Pfalz wird meist mit der klassischen  Flaschengärung nach der Champagnermethode, bei dem ein Teil des  Gärvorgangs in der Sektflasche stattfindet, der sogenannte Winzersekt hergestellt.  Dabei wird der Sektgrundwein für die zweite Gärung mit Zucker und Hefe  versetzt und in die Sektflasche gefüllt, welche mit einem Kronkorken  verschlossen wird. Bei der folgenden alkoholischen Gärung wird der  Zucker durch die Hefen in Kohlensäure und Alkohol umgesetzt. Nach Ablauf  der Mindestlagerzeit wird die Hefe durch manuelles Abrütteln in den  Flaschenhals bewegt. Hierzu werden Rüttelpulte aus Holz verwendet. In  diesem Lochbrett aus Eichenholz können die Flaschen per Hand um die  Längsachse gedreht werden sowie im Neigungswinkel steiler gestellt  werden, bis sie zum Abschluss der drei bis fünf Wochen dauernden  Prozedur fast kopfüber im Rüttelpult sitzen. Beim Degorgieren, also dem  Enthefen, wird der entstandene Hefepfropfen entfernt. Der Sekt verlässt  bei dieser eleganten und äußerst schonenden Methode die Flasche nicht.  Danach werden die Flaschen mit dem Hals in ein Kältebad gelegt, damit  der Hefesatz gefriert. Nun wird die aufrecht gestellte Flasche geöffnet  und der Kohlensäuredruck schleudert den Hefepfropfen heraus.  Anschließend kann die Flasche zum Öffnen umgedreht werden, ohne dass  das Hefedepot den Sekt wieder eintrübt. Da beim Degorgieren immer auch  ein wenig Schaumwein verloren geht, wird die Flasche mit der "Dosage"  wieder aufgefüllt. Mit dieser kann zugleich der Süßegrad der Sekte  bestimmt werden. Nun steht einem spritzigem Genusserlebnis nichts mehr  im Wege. Sekt macht gute Laune und einen Grund zum Anstoßen findet sich  bestimmt bald. 
RS


            
            
        
            
            
        
            
            
        
            
            
        