Thomas Steinmetz im Gespräch mit Hans-Günter Schwarz
Er gilt ohne jeden Zweifel als jemand der ersten, der dem Pfälzischen Weinbau den Odem der Qualitätsphilosophie „eingehaucht“ hat. Auf jeden Fall hat Hans-Günter Schwarz vielen Lehrlingen ein hohes Maß an Leidenschaft für den Wein mit gegeben. Da uns dies interessierte, haben wir uns mit ihm exklusiv unterhalten. Hier also nun unser Gespräch in Kurzfassung:
TS: Es ist ein Vorrecht, dass wir uns mit Ihnen über die Anfänge,  die Gegenwart und die Zukunft des Pfälzischen Weinbaus unterhalten  dürfen. Schließlich schätzen wir Sie als jemand, der viele Winzer mit  der hohen Qualitätsphilosophie „infiziert” hat. Herr Schwarz, wie haben  Sie es geschafft, die vielen Winzer, nicht nur Hansjörg Rebholz, der ja  Lehrling bei Ihnen war, mit dieser Philosophie zu begeistern?
HGS:  Tja, eigentlich gibt es kein allgemein gültiges Rezept, mit dem man  einen großen Wein machen kann. Es gibt nur den einen Weg, nämlich dass  man seinen Beruf mit großer Leidenschaft ausübt. Natürlich muss man gute  Leistungen bei seinen Lehrlingen immer mal wieder bemerken, indem man  sie lobt, mal abends ein gutes Glas Wein trinkt, ihnen auch mal  Anerkennung in Form von Freizeit, wenn man sie an bestimmten Zeitpunkten  beansprucht hatte etc. Die soziale Kompetenz muss eben die  Fachkompetenz begleiten, dies ist meine feste Überzeugung.
TS:  Gab es ein gewisses Grundrezept, wie Sie dieses „Feuer“ in ihren  Lehrlingen nicht nur „einhauchen”, sondern auch erhalten konnten? Ich  meine, Lehrstoff ist normalerweise ja etwas sehr kühles, trockenes, aber  man muss ja bei Ihren Zöglingen eindeutig eine unbändige Leidenschaft  für diesen Qualitätsgedanken feststellen.
HGS:1 Ja, wie gesagt,  Leidenschaft kann nur entstehen, wenn man das Gefühl hat, den richtigen  Beruf gewählt zu haben – und wenn man an der Hand genommen wird und  hingeführt wird zu dem, dass man nicht nur den nackten Arbeitsablauf  versteht, sondern zu einer völlig neuen Lebensqualität kommt. Ganz  wichtig ist natürlich, dass man dabei den Lehrlingen den Riesenspaß  vermittelt, den unser Beruf mit sich bringen kann. Andererseits heißt  das aber auch, dass man nicht alles „abnickt“ was der Auszubildende tut,  sondern notfalls auch einmal sehr deutlich wird. Ich habe immer die  Devise verfolgt, niemals jemanden vor anderen bloß zu stellen. Lob vor  anderen geht immer, aber Tadel immer nur unter vier Augen! Ganz wichtig:  Am Ende des Tages Bilanz ziehen und die guten Taten loben.
TS:  Es gibt ja Gruppierungen mit diesem Qualitätsgedanken wie die „Fünf  Freunde”, wo bekanntlich ihr früherer Lehrling Hansjörg Rebholz  Mitbegründer ist, dann kam später die „Südpfalz ConneXion” hinzu, oder  jetzt auch der neue, sehr ernst zu nehmende Wettbewerb „die junge  Südpfalz – da wächst was nach”,das macht doch einfach Spaß, das zu  beobachten, oder nicht?
HGS: Oh ja, das stimmt, das sind alles  sehr gute Entwicklungen, die da überall gedeihen. Eigentlich bin ich ja  tatsächlich selbst aus der Südpfalz, genauer aus Albersweiler. Oh ja, da  geht einem einfach das Herz auf, wenn man das alles sieht und  beobachtet, wie sich das entwickelt, gerade bei den jungen Leuten.  Unglaublich. 
TS: Es ist doch eigentlich ein echter  Quantensprung, was sich in den letzten Jahrzehnten da getan hat, oder?  Ich erinnere mich noch selbst an Zeiten, dass es eher selten war, einen  richtig guten Wein aus der Südpfalz zu bekommen. Heute ist das doch eher  umgekehrt?
HGS (lacht): Allerdings. Heute dürfen wir sehen, dass es viele Weine gibt, die den allerhöchsten Ansprüchen genügen.
TS:  Lehne ich mich zu weit aus dem Fenster? Ich würde nämlich fast  behaupten, dass wir in Deutschland – in letzter Zeit auch in der Pfalz –  die besten Weißweine der Welt haben. Ich hatte die Gelegenheit, in  letzter Zeit öfters Weißweine aus anderen Gegenden der Welt zu testen,  die nicht wenig Geld gekostet haben. Aber selbst die einfacheren  Weißweine bei uns sind um Klassen besser, finde ich.
HGS (mit  Begeisterung) Ja, absolut! Im Bereich der Weißweine sind wir tatsächlich  an der Weltspitze, und das wirklich durchweg über ganz Deutschland  verteilt. Die innovativste Entwicklung beobachtet man aber im Augenblick  hier bei uns in der Pfalz. 
TS: Ich erinnere mich an ein  Zitat von Ihnen, welches Sie neulich in Kirrweiler gesagt haben:  „Kontrolliertes Nichtstun - Aktivismus im Weinberg, Minimalismus im  Keller”. Erzählen sie mir doch bitte ein wenig über dieses innere Gefüge  im Wein und wie er entsteht.
HGS: Ja, genau. Man hat einfach  erkannt, dass ein äußerst sensibler Umgang mit dem Wein unerlässlich  ist. Dieses innere Gefüge ist so sensibel, dass es rein gar nichts  verzeiht. Jede Bewegung, jedes Umpumpen, selbst von Fass zu Fass muss  man da überdenken. Stellen Sie sich doch mal vor: Sie haben perfekte  Trauben, die schonend geerntet wurden und ganz schonend verarbeitet;  anschließend ist der Most im Fass. Dann kommt die Gärung – heute  geschieht dies etwas langsamer als früher – und zwar Kaltgärung, mit der  kam früher eine Art „Bonbon - Tönung”, welche die Weine geschmacklich  etwas glatt gebügelt hat, weil man es viel zu kühl machte. Heute macht  man das nicht mehr mit 13-15 Grad sondern geht über zu 17-20 Grad. 
TS: Wie ging man denn damals noch mit dem Most um, das ging doch insgesamt alles viel schneller, oder?
HGS:  Ja, genau. Was Anfang der 60er noch üblich war: Man war regelrecht  stolz darauf, dass man Anfang Dezember schon füllfertige und filtrierte  Weine im Keller hatte, weil man den Wein von der Hefe schon trennte. Ich  sage dazu: Das Kind von der Mutter getrennt hat. Denn erst Ende der  70er hatte man wieder erkannt, dass eine gesunde Hefe unerlässlich für  die Entstehung eines guten Weines ist. Sie ist wie eine Art Schutzmauer  um den Wein herum. Sehen Sie, nach dem Krieg damals beobachtete man  überall eine Art Technologie- und Mechanisierungs - Verliebtheit.  Man versuchte alles irgendwie einfacher, schneller und besser zu  machen. Der Qualitätsgedanke wurde unmerklich dabei über Bord geworfen. 
TS: OK, aber wie entsteht nun ein wirklich großer Wein? 
HGS:  Ein großer Wein entsteht dadurch, dass man am Rebstock die intensiven,  fleißigen Arbeitsschritte tut; Reduktion der Trauben, Laubarbeit, Licht  und Luft in den Rebstock zu bringen – eben alles das, was man tun kann,  um der Natur zu helfen. Auch das Ganze mit Traubenteilung... das sind  hundert Stunden pro Hektar. Viele müssen da eben passen und sagen: Nein -  das kann ich mir nicht leisten, das bezahlt mir niemand. 
TS: Aber das muss man ja auch nicht mit jedem Weinberg tun, oder?
HGS:  Klar – das tut man natürlich nur mit den erlesensten Lagen und für die  allerbesten Weine. Die „großen Gewächse“ bzw. die „ersten Lagen“  behandelt man besipielsweise besonders liebevoll. Aber dadurch bekommt  man einen echten Qualitätsschub. Je fleißiger man hier ist, desto besser  wird der Wein. Dann hat man perfekte, gesunde Trauben, die man auch –  wenn möglich – selektiv ernten sollte. Es gibt aber besonders gute  Jahrgänge, wo diese intensive Selektion gar nicht notwendig ist, dann,  wenn die Trauben alle annähernd perfekt sind, dann die wenigen ein- zwei  Prozent minderwertige Trauben und Herlinge vorher von Hand entfernt  wurden, die Erntemaschine richtig eingestellt ist etc., dass dann auch  der Einsatz vom Vollernter möglich ist. Viele sagen: ‚Mit dem Vollernter  bekommt man nur minderwertigen Massenwein‘ - das stimmt einfach nicht.  Es kommt darauf an, wie die Umstände sind. In schlechten Jahrgängen geht  das natürlich nicht, aber in den guten sehr wohl. 
TS: Sie waren doch Betriebsleiter bzw. Kellermeister bei Müller-Catoir, wann genau war das?
HGS  Das war von 1961-2002. Dass ich damals erst 19 Jahre alt war, werte ich  in gewisser Hinsicht als Glücksfall, hatte mir aber auch so manche  schlaflose Nacht beschert. Mein erster Lehrling war Hansjörg Rebholz,  der zu mir kam in die Lehre. Und so kamen im Lauf der Zeit 50 Lehrlinge  und Praktikanten zusammen. 
TS: Da gibt es doch sicher einige bekannte Namen darunter, oder?
HGS:  Na, eigentlich müsste man sie hier alle erwähnen. Als Ausbilder erlebt  man jedenfalls im Lauf der Jahre unglaublich viele positive Dinge. Da  gab es wirklich nur ganz, ganz wenige unangenehme Erfahrungen in dieser  ganzen Zeit. Mit Hansjörg Rebholz hatte das angefangen und ich wusste,  das kann richtig Spaß machen und hatte ein gutes Gefühl für die Zukunft.
TS:  Nun, was den Weißwein anbelangt, waren wir uns ja über die homogene  Qualität hierzulande schon einig. Aber – neues Thema: wie sieht es da  Ihrer Meinung nach mit dem Rotwein aus? Ich finde, da gibt es schon noch  große Unterschiede, oder? Wir sind ja zum Glück ein wenig weiter  gekommen als nur Portugieser und Dornfelder...
HGS: Oh ja, das  ist wohl wahr. Die Verbreitung des Qualitätsbewusstseins ist beim  Rotwein noch nicht ganz so intensiv fortgeschritten wie bei den Weißen.  Es gibt natürlich die bereits bekannten großen Namen wie Becker in  Schweigen, Rebholz, Knipser, Stachel... um nur wenige davon zu nennen,  aber es tauchen mittlerweile immer mehr neue Namen auf. Das ganze begann  ja früher mit dem Portugieser, dann später der Dornfelder... Aber da  sind wir uns einig. Ein gut gemachter Dornfelder mag ja ganz nett sein  für zwischendurch, aber die ganz große Klasse wird solch eine Rebsorte  niemals erreichen, oder eine nachdrückliche Erinnerung hervorrufen. 
TS: Eine Art Königsklasse ist ja wohl ein Cuvée mit Cabernet Sauvignon mit Merlot – oder ein Spätburgunder?
HGS:  Nun, in den 80er oder 90er Jahren haben ja diese weltweit bekannten  Rebsorten, neben den von ihnen genannten auch der Syrah, langsam bei uns  Fuß gefasst, in Verbindung mit dem Spätburgunder... Vor allem Holz ist  beim Rotwein wichtig.
TS: Und im Barrique bekommt der Wein  dann die schönen Vanille-Noten... Aber es gibt ja auch verschiedene  Hölzer? Und wie ist das mit der Toastung?
HGS: Ja, mittlerweile  ist auch Pfälzer Eiche sehr begehrt, es gibt sogar einige Französische  Fassbauer, die Pfälzer Eiche verwenden. Die Reifezeit hängt stark von  der Beschaffenheit des Weins ab. Je „dichter“ der Wein ist, desto länger  kann er im Holz bleiben. Bei der Toastung im Inneren des Fasses gilt:  wenn stark getoastet wird, dann muss ein gewaltiger, stoffiger Wein  hinein. Ein schlanker Wein hat in einem getoasteten Fass nichts  verloren. 
TS: Und wie lange sollten die Weine darin reifen? 
HGS:  Große Rotweine können locker zwei bis zweieinhalb Jahre im Barrique  liegen. Was ganz wichtig ist, dass die Weine dann unfiltriert in die  Flasche kommen! Der Rotwein hat keine Äpfelsäure mehr, somit kann es  keinen Säureabbau mehr auf der Flasche geben. Zucker hat bei einem  großen Rotwein ohnehin nichts zu suchen. Also: kein biologischer  Säureabbau, kein Zucker; das heißt, Bakterien haben gar kein Futter,  falls noch welche vorhanden sein sollten; sie verhungern einfach. 
TS: Ist das denn bereits eine allgemeingültige Vorgehensweise?
HGS: Oh nein, hier ist man noch in der Diskussion.
TS: Wir haben nun ausführlich über die Vergangenheit und Gegenwart  unserer Pfälzer Entwicklung gesprochen. Wie sehen Sie eigentlich die  Zukunft? Sehen Sie eigentlich überhaupt noch Potential für eine  Steigerung?
HGS: Ja, allerdings. Das Ende der Fahnenstange ist  noch lange nicht erreicht. Die Ziele werden ohnehin immer höher gesetzt.  Wir sind aber schon auf einem Niveau, wo man spektakuläre Sprünge nicht  mehr erwarten darf. Bemerkenswert ist aber: Es tauchen immer mehr  bislang völlig unbekannte Winzer plötzlich auf und präsentieren ganz  überraschend große Weine. Das Qualitätsnetz wird allmählich wesentlich  dichter. In erster Linie geht es, wie bereits ausführlich erläutert, um  die Arbeit am Rebstock. Aber in naher Zukunft gibt es noch spannende  Dinge zu erwarten. 
TS: Glauben Sie, dass die Klimaveränderung negative Auswirkungen auf Rebsorten wie beispielsweise den Riesling hat?
HGS  (lacht): Oh nein, da kann man wirklich nur lachen. Wir haben heute  Rieslinge, die weit besser sind als je zuvor. Aber was die Rotweinsorten  betrifft, glaube ich umgekehrt sehr wohl , dass wir enorme positive  Auswirkungen durch die Klimaveränderung erhalten haben. Wir haben heute  Spätburgunder mit Mostgewichten von 95° bis 100° Oechsle! Andererseits  gibt es öfters Hagelschäden als früher. Aber zurück zur Qualität: Ich  glaube nicht, dass es einen Stillstand gibt. 
TS: Herr Schwarz, wir danken herzlich für dieses Gespräch.
HGS: Ich danke auch Ihnen!


            
            
        
            
            
        
            
            
        
            
            
        


