Hobbys – Nur ein Zeitvertreib?
Was genau versteht man unter einem Hobby?
Das Wort Hobby benutzt jeder, und meistens verbindet man damit auch etwas Positives. Doch was genau versteht man unter einem Hobby: etwas, das man hin und wieder betreibt, etwas, das einen wirklich in den Bann zieht, oder etwas, das schon fast einen professionellen Charakter hat?
(Ausgabe Nr. 55 JUN/AUG20)
Wir haben uns schon so daran gewöhnt, dass alles durchorganisiert ist und alles einen festen Zeitplan hat. Oft folgen wir mit einem neu entdecktem Hobby auch nur dem Zeitgeist, weil das gerade jeder so macht und in ist. Aber das ist nicht Sinn und Ziel eines eigenen Hobbys. Soll ich jetzt auch noch anfangen zu töpfern, nur weil im Freundeskreis ein neuer Kampf stattfindet, wer töpfert den schönsten Teller? Nein, Hobby ist nicht nur ein Zeitvertreib und erst recht keine Modeerscheinung.
Der Freizeitforscher Ulrich Reinhardt stellt fest: „Zwischen dem, was die meisten Bundesbürger in ihrer Freizeit tun, und dem, was sie gern tun würden, besteht ein großer Unterschied. Sie bleiben auch in ihrer Freizeit Getriebene.“ Reinhardt, Leiter der Hamburger BAT-Stiftung für Zukunftsfragen, forscht beruflich über die Freizeit . Zeit also, die per Definition frei sein soll – von Pflichten, von Arbeit, von Zwängen. Eine freie Zeit, in der man freiwillig und mit Freude tun möchte, was man will, aber leider nicht tut.
Allzu oft haben wir auch die Freizeit genauso gestaltet wie den Berufsalltag, nämlich strukturiert und durchgetaktet. Wir haben Apps mit einem Terminkalender, einer Erinnerung, dass wir zu wenig Schritte gemacht haben, oder zu wenig Wasser getrunken. Das macht Multitasking in unserem Tagesablauf erst möglich.
Heutzutage möchte man auch die Freizeit mit Aufgaben vollpacken und sie für Nützliches nutzen. Der Ausdruck „aktive Erholung“ ist ja ähnlich paradox wie der Freizeitstress, denn auf jeden Fall geht es darum, auf keinen Fall untätig zu sein. Denn was sollen die Nachbarn denken, wenn ich nur mit einem Buch im Garten sitzte, während er den ganzen Nachmittag fleißig und akribisch seinen Rasen pflegt und die Rasenkanten fein säuberlich nachschneidet.
Aber das sollte uns doch egal sein, hier geht es um meine Bedürfnisse und um das, was ich gern tue. Schnell wird uns ein schlechtes Gewissen eingeredet, und uns das Gefühl vermittelt, man müsste dies oder jenes tun.
Das erkennt man schon daran, dass kaum noch jemand vom gezielten Nichtstun, vom Träumen in der Hängematte, vom Hobby als Stressausgleich redet. Denn dann würde man schnell denken, hier hat jemand zu viel Zeit oder zu wenig Struktur, seine freie Zeit sinnvoll auszufüllen. Das Hobby als solches ist verschwunden, wenn es nicht als DIY-Workshop – fast ein Modewort in der heutigen Zeit – ein Craftingwochenende im Wald oder ein Koch-Kurs im „Joghurt selber machen“ in den sozialen Netzwerken präsentiert werden kann und so eine mediale Zweitnutzung erfährt. In den Facebook Gruppen wimmelt es davon und es ist zu einem regelrechten Wettbewerb geworden.
Auch beim Sport sieht man das deutlich, denn nur selten ist man darauf beschränkt, mal kurz außer Puste zu kommen und die Lungen mit frischem Sauerstoff aufzufüllen. Stattdessen hat man eine Fitness-App, einen festen Trainingsplan und einen Personal Trainer. Alle Aktivitäten und unser Fortschritt wird aufgezeichnet und möglichst auch in den sozialen Medien veröffentlicht. Das ist aber kein Hobby, denn da gibt es keinen Wettbewerbsgedanken, und wenn schon, nur von Weitem. Die Motivation des Hobbys ist, dass es einfach nur dann und wann ausgeübt werden will, andere Regeln gibt es nicht.
Auch mit Absicht nichts zu tun, kann ein Hobby sein. Die Skandinavier nennen dies „Hygge“.
Unsere Großeltern, welche wirklich oft hart arbeiten mussten, konnten auch mal einen ganzen Sonntagnachmittag im Liegestuhl liegen und es dann ein gelungenes Wochenende bezeichnen. Wer kennt nicht den Loriot-Sketch, als der Mann einfach nur im Sessel sitzen und nichts tun wollte, seine Frau ihn aber unbedingt dazu überreden wollte, etwas sinnvolles zu tun. Zu ihrer Aufforderung: „Du kannst doch tun, was dir Spaß macht.“ antwortete er: „Das tue ich ja.“ Das kann sie aber nicht mit ansehen, sondern ihm zur Erholung eine Zeitschrift bringen oder zum Rausgehen überreden. Zum Schluss eskaliert die Situation und er schreit sie an. Der moderne und der traditionelle Freizeitbegriff trifft hart aufeinander. Man gilt als modern, wenn man aktiv ist.
Sechs der zehn beliebtesten Freizeitbeschäftigungen sind nach einer Umfrage: Mediennutzungen, Telefonieren, Zeitunglesen, Internetsurfen, Radiohören – auf Platz 1 liegt, mit geradezu absolutistischen 97 Prozent, das Fernsehen, klassisch und online. Sofort denkt man, dass die Menschen aus Zeitmangel nicht mehr zu ihrem Hobby kommen.
Ein Hobby – das englische Wort bedeutet Steckenpferd – ist reine Liebhaberei. Wer ein Hobby ausübt, geht nicht auf die Erwartungen anderer ein, von den Ansprüchen, die man erfüllen zu müssen glaubt. Das Hobby ist sozusagen eine kultivierte, von anderen nicht übel genommene Form des Egoismus ohne höheres Ziel. Es tut einem selbst gut, egal wie verrückt es ist. Man lebt seine Individualität aus und dazu kann man grundsätzlich gratulieren. Man ist einfach nur bei sich, ohne anderen auf die Nerven zu gehen.
Es ist jetzt eigentlich die Zeit gekommen, ein neues Hobby zu entdecken, ohne dem Zeitgeist hinterher zu rennen. Einfach Mut haben. Wer weiß, was alles in uns schlummert.
RS